Bis in alle Endlichkeit

  • Suhrkamp
  • Erschienen: September 2024
  • 9
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Thomas Gisbertz
86°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2024

Ein Hardboiled-Thriller, der fesselt und nachdenklich stimmt.

Juni, 2019: Der Privatermittler Lee Crowe ist früh am Morgen auf dem Weg in sein Büro, als er zufällig in einem heruntergekommenen Viertel von San Francisco eine Entdeckung macht. Eine junge Frau im Cocktailkleid liegt tot auf dem eingedrückten Dach eines Rolls-Royce. Noch kann Crowe nicht wissen, dass diese Begegnung sein ganzes Leben verändern wird. Bei der Toten handelt es sich um Claire Gravesend. Schon bald wird ihre mehr als wohlhabende und äußerst einflussreiche Mutter den Detektiv engagieren, um den Tod der Tochter aufzuklären. Alles deutet zunächst auf Selbstmord hin, aber Olivia Gravesend glaubt den ermittelnden Beamten nicht. Der Fall wirft tatsächlich Fragen auf: Warum weist der Rücken der 20-jährigen Claire zahlreiche kreisförmige Narben auf? Und warum hat sie vor einem halben Jahr plötzlich den Kontakt mit ihrer Mutter fast vollständig abgebrochen? Eine erste Spur führt Crowe nach Boston, an den Studienort der Toten. Als er dort nur knapp einem Mordanschlag entgeht, spürt er, dass er einem dunklen Geheimnis auf der Spur ist, für das andere bereit sind zu töten.

Anwalt und Autor

„Bis in alle Endlichkeit“ ist der neu erschienene Thriller des US-amerikanischen Autors James Kestrel, der für seinen Thriller „Fünf Winter“ unter anderem 2022 mit dem Edgar Allan Poe Award, 2023 mit dem Deutschen Krimipreis für den besten internationalen Thriller sowie mit dem „Buch des Jahres“ der KRIMI-COUCH ausgezeichnet wurde. Dabei ist der aktuelle Thriller des 1977 in Standford geborenen Autors gar nicht neu. Bereits 2019 schrieb Kestrel unter seinem bürgerlichen Namen Jonathan Moore den Roman „Blood Relations“, der nun erstmals in deutscher Übersetzung beim Suhrkamp Verlag erscheint. Aus Marketinggründen nutzt man das bekannte Pseudonym. Nicht zuletzt erinnert auch die Aufmachung des Buchcovers sehr an Kestrels gefeierten Roman „Fünf Winter“.

Dabei ist der Lebensweg und berufliche Werdegang Moores alleine schon so spannend wie seine Thriller: Lehrer, Rafting-Führer auf dem Rio Grande, Betreuer in einem Wildniscamp für jugendliche Straftäter in Texas und Ermittler für einen Strafverteidiger in Washington D.C. Drei Jahre lebte er anschließend in Taiwan, wo er Mandarin lernte, in einem Kindergarten sowie einer Grundschule arbeitete und sogar ein mexikanisches Restaurant betrieb. 2007 beendete er sein Jura-Studium mit Auszeichnung und schrieb 2013 seinen ersten Roman. Heute lebt der Autor mit seiner Familie auf Hawaii, wo er immer noch als Anwalt tätig ist.

Klassischer Hardboiled

Der aktuelle Kestrel-Roman ist ein packender und unterhaltsamer Thriller, den man aber nicht mit seinem „Vorgängerroman“ vergleichen sollte. „Fünf Winter“ ist wahrlich ein beeindruckendes, episches Werk, das inhaltlich weit über eine Kriminalerzählung hinausgeht. Ein bildgewaltiges Buch, das vor allem mit seiner Erzählweise beeindruckt. „Bis in alle Endlichkeit“ ist im Gegensatz dazu kein Noir-Thriller, der das Verbrechen in den Mittelpunkt der Handlung rückt, sondern ein klassischer Hardboiled. Alles dreht sich um den ehemaligen Anwalt Lee Crowe, der wegen eines tätlichen Angriffs auf den Obersten Richter nicht nur seinen Job, sondern auch seine Frau Juliette an den attackierten Juristen verlor.

Nun schlägt er sich als Privatdetektiv mit Jobs für den Strafverteidiger Jim Gardner durch. Dabei ist er sich für keine Aufgabe zu schade. Crowe ist ein gewitzter, cleverer Typ, der weiß, wie er sich gegen seine Feinde zur Wehr setzt - und davon gibt es einige. Doch auch er steht vor einem Rätsel, als die tote Claire plötzlich äußerst lebendig wieder auftaucht. Oder handelt es sich bei der rätselhaften jungen Frau gar nicht um die Tote? Während Crowe sich nicht nur einmal in Todesgefahr begibt und sich gegen brutale Gegner behaupten muss, kommt er der Wahrheit immer näher.

Hartgesottener Ermittler

Kestrel erzählt seine Geschichte um den taffen Schnüffler Crowe mit viel Tempo, jeder Menge Action und in einem schnörkellosen, mitunter zynischen Ton. In bester Tradition bekannter US-Autoren wie Dashiell Hammett oder Raymond Chandler stellt Kestrel seinen Protagonisten als harten Kerl dar, der sich stets im Graubereich bewegt und der - wenn nötig - nicht vor Gewalt zurückschreckt. Der Autor selbst findet derart Gefallen an seinem Protagonisten, so dass - wie es auch der Schluss nahe legt - ein weiterer Roman mit Lee Crowe irgendwann folgen sollte. Wünschenswert wäre es allemal.

Fazit

James Kestrel beweist auch mit seinem nun erschienenen Roman, dass er ein schriftstellerisches Ausnahmetalent ist. „Bis in alle Endlichkeit“ ist ein düsterer Neo-Hardboiled, bei dem es um Transhumanisten, Gentechnik und vor allem die menschliche Hybris geht. Ein ebenso erschreckender wie packender Thriller, der bei allem Unterhaltungswert auch nachdenklich stimmt.

Bis in alle Endlichkeit

James Kestrel, Suhrkamp

Bis in alle Endlichkeit

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