Cops und Killer
- Kampa
- Erschienen: April 2024
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Dunkle Seiten im sonnigen Los Angeles.
In den 1980er Jahren arbeitete Michael Connelly - später Autor der erfolgreichen Krimi-Serie um den hartnäckigen Ermittler Hieronymus „Harry“ Bosch“ - zunächst in Florida und später in Los Angeles als Kriminalreporter. In drei Großkapitel gliedert der Verfasser wichtige Texte, die dabei in den Jahren 1984 bis 1992 entstanden:
„Die Cops“ (S. 21-122) üben einen aufreibenden und gefährlichen Beruf aus, wobei die Gefahr manchmal von ihnen selbst ausgeht. „Der Anruf“ informiert über einem ganz normalen Tag im Leben der Beamten des Morddezernats von Fort Lauderdale, die den 38. Mord des Jahres 1987 untersuchen, um ihn in mühsamer, aber konzentrierter Polizeiarbeit aufzuklären. „Open Territory“ wurde Broward County im Süden Floridas lange genannt. Hier siedelten sich hochrangige Mafiosi an, die in der Sommerfrische Abstand vom ‚Geschäft‘ suchten. Seit den 1980er Jahren behielt sie die eigens gegründete „Metropolitan Organized Crime Intelligence Unit“ im Auge. Ihre Arbeit wird am Beispiel des Mafiabosses „Little Nicky“ Scarfo erläutert, der ihnen 1987 ins sorgfältig gespannte Netz ging.
Die US-Polizei kämpft gegen Verbrecher, die ihr Heil in einer Flucht nach Mexiko suchen. „Grenzüberschreitungen“ garantieren Kriminellen längst nicht mehr die ersehnte Sicherheit vor den US-Behörden. An diversen Beispielen erläutert Connelly die mühsame Zusammenarbeit zweier unterschiedlicher Rechtssysteme, in die sich immer wieder nationale Befindlichkeiten mischen.
Mit „Polizisten auf der Anklagebank“ und „Todesschwadron“ erinnert Connelly an die Krise, in die das Los Angeles Police Department Anfang der 1990er Jahre geriet. Rassistische Übergriffe und die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt führten zu einer grundlegenden Umstrukturierung des Departments. Eine Erklärung für den nervösen Zeigefinger der Polizisten bietet Connelly in „Von einem Jungen getötet“. Hier rollt er die Geschichte eines 24-jährigen Beamten auf, dem ein minderjähriger Einbrecher die Dienstwaffe entwand.
Jäger und Gejagte
Teil 2 - „Die Mörder“ (S. 123-217) - beginnt mit der Geschichte eines Vergewaltigers und Serienkillers, der eine mörderische ‚Reise‘ durch die Vereinigten Staaten begann, die nie in allen Details aufgeklärt werden konnte. Connelly kehrt ein Jahr nach dem Tod des Mörders zu den Familien seiner Opfer zurück, die damit fertig werden müssen, dass die Leichen ihrer Töchter und Schwestern verschwunden bleiben.
„Verhängnisvolle Tarnung“ erzählt die unglaubliche Geschichte eines Hochstaplers, der sich nicht nur eine Identität als CIA-Agent, sondern auch zwei Ehefrauen zulegte. Als nach Jahren das Lügengebäude einzustürzen beginnt, verliert der Mann die Nerven und wird zum Mörder. „Der Stalker“ ist ein Mann, der junge Frauen nicht nur beobachtet, sondern ihnen auflauert. Aufgrund der dünnen Beweislage gelingt es dem hochintelligenten Verdächtigen, der sich vor Gericht selbst verteidigt, Zweifel an seiner Schuld zu säen.
Dass auch gute Polizeiarbeit der Gerechtigkeit nicht immer zum Sieg verhelfen kann, belegt der Fall eines Vatermörders, dem beinahe das perfekte Verbrechen gelang. Nachdem es doch ans Tageslicht kam, ergriff der Täter erfolgreich die Flucht; „Amerikas meistgesuchter Verbrecher“ konnte nie gefasst werden. Anders erging es dem „Ehefrauenmörder“, der fünf Jahre nach seiner Bluttat gefasst und verurteilt wurde.
„Wo Gangster um die Ecke knallen“ ist der (deutsche) Titel eines Films, der die komischen Taten einer Bande völlig unfähiger Verbrecher in Szene setzt. Connelly betitelt so ein Kapitel, in dem er die Taten einer dilettantischen, aber brutalen Bande von Mietkillern beschreibt. In „Böse, bis er stirbt“ zeichnet der Verfasser die fast fünf Jahrzehnte währende ‚Karriere‘ des Gewohnheitsverbrechers Roland Comtois nach, der sich vom Einbrecher zum Räuber, vom Spanner zum Vergewaltiger und schließlich zum Mörder ‚hocharbeitete‘.
Taten, Ermittlungen, Konsequenzen
Teil 3 (S. 219-311) beschreibt banale bis bizarre Mordfälle. „Das namenlose Grab“ birgt den Körper eines Mordopfers, das nie identifiziert werden konnte; nicht einmal der Mörder wusste, wen er umgebracht hatte. Ein „Doppelleben“ als freundlicher Nachbar und Kapitalverbrecher führte Francis Malinosky, der über Jahre geschickt mit vier Identitäten jonglierte. Der „Tod einer Erbin“ stellt sich erst nach langer Zeit und nur durch Zufall als Familientragödie heraus.
In „The Family“ berichtet Connelly vom Aufstieg und Fall eines brutalen Verbrechersyndikats, das im gesamten US-Staat Kalifornien aktiv war. Ein „Leben auf der Überholspur“ führte Billy Schroeder, der jährlich in mindestens 350 Häuser einbrach, um seiner Drogensucht frönen zu können. Parallel dazu schildert Connelly die Leiden seiner Opfer, die sich in ihren Heimen nicht mehr sicher fühlen. „Lag der Täter auf der Lauer?“, fragt der Verfasser anlässlich des Mordes an einer Krankenschwester. „Der Tote im Kofferraum“ gehörte einerseits zur L.-A.-Prominenz, war jedoch andererseits in allerlei Machenschaften verwickelt und betrog die Mafia, die dies auf ihre typische Art quittierte. „Offen - ungelöst“ bleibt wohl auch der Fall eines Handwerkers, der sich allzu neugierig in Gefahr begab und darin umkam.
Vom Reporter zum Schriftsteller
Michael Connelly legt in einem langen Vorwort großen Wert auf die Feststellung, dass es ihn als Schriftsteller ohne den Journalisten nie gegeben hätte. Als solchen betrachtet er sich heute noch, denn nach wie vor nutzt er die erlernten Methoden, was die Plots seiner Thriller aktuell, plausibel und aufregend wirken lässt. Eine Lektion, die Connelly als Kriminalreporter lernte, ist diese: Gute Cops leben mit dem Grauen, aber dies lässt nicht zynisch werden.
Danach hat Connelly seine bekannteste Krimi-Figur gestaltet. Harry Bosch agiert in einer Welt der Korruption, der Ungerechtigkeit und der Gewalt, aber trotz aller Nackenschläge resigniert er nicht und macht weiter: „Die Welt ist schlecht“ ist für ihn eine Binsenweisheit, mit der man sich nicht aus der Verantwortung stehlen darf.
Connelly befragt Familienangehörige und Freunde von Tätern und Opfern. Ein Verbrechen - es muss nicht einmal ein kapitales sein - ist kein isoliertes Geschehen. Es zieht eine Kettenreaktion von Schicksalen nach sich, die aus Behördensicht für den eigentlichen Fall nicht relevant sind. Connelly hat begriffen, dass dies falsch ist bzw. berichtigt werden muss, um das Gesamtbild darzustellen.
Buch mit Info-Extras
„Cops und Killer“ wird durch ein Essay des Connelly-Kenners Michael Carlson abgerundet. Präziser als der Schriftsteller findet er die Nahtstelle zwischen dem Kriminalreporter und dem Thriller-Autor. In diesem Zusammenhang stützt er sich auf Connellys Biografie. Beispielhaft legt Carlson offen, wo und wie der Autor auf reale, einst journalistisch begleitete Kriminalfälle zurückgegriffen hat. In „Das schwarze Herz“ geht Jochen Stremmel ein weiteres Mal auf das Werk des Michael Connelly ein, wobei er manche Informationen ausgräbt, die Michael Carlsons Beitrag ergänzen.
Das Bonusmaterial trägt ungeachtet seiner Kürze zum Verständnis der Texte bei. Diese wurden eigentlich für die aktuelle Tagespresse geschrieben und sind dennoch zeitlos: Die Arbeit eines guten Kriminalreporters definiert sich u. a. über das Talent, knapp, aber präzise alle Aspekte eines Verbrechens für seine Story zu berücksichtigen. Connelly beschränkt sich nicht darauf, den Cops über die Schultern zu schauen. Er berücksichtigt auch die Seite des Kriminellen.
Fazit
Michael Connelly war lange als Kriminalreporter tätig. Die aus seiner Sicht besten seiner Schilderungen beschäftigen sich nicht nur mit der Arbeit der Polizei und begangenen Verbrechen, sondern erweitern den Fokus auf Angehörige und Freunde von Tätern und Opfern. Connelly schreibt nüchtern, aber spannend und legt dabei die Wurzeln seines Romanwerks offen: Pflichtlektüre für den Fan und den Leser guter „True-Crime“-Literatur.
Michael Connelly, Kampa
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