Der Feind in ihrem Haus

  • Edition M
  • Erschienen: März 2024
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Sabine Bongenberg
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2024

In dieser "Familie" sagt niemand die Wahrheit.

Es dürfte der Albtraum vieler sein, die nach einer Pflegekraft oder einfach nach einer Hilfe für ihren alten Vater oder ihre Mutter suchen: Die patente, sympathische Hilfskraft drängt sich plötzlich in das Leben der Betreuten und treibt langsam, aber sicher einen Keil in die Familie. Die Schwelle zur reinen Angestellten oder zur Haushaltshilfe wird überschritten, plötzlich sind Gefühle im Spiel und bei vielen Söhnen und Töchtern stellt sich langsam die bange Frage, wer denn mittlerweile im Testament die Hauptrolle spielt.

Genau dieses Horror-Szenario erlebt die alleinstehende Connie, die ihrer verwitweten Mutter Gwen zu Liebe von Italien nach England zurückgekehrt ist. Neben den vielen Aufgaben im Haushalt und bei der Pflege ihrer Mutter, kann sie dann doch vieles nicht allein erledigen. Das Haus und - ist man ehrlich - auch ihre Mutter sind daher ein wenig verwildert und vernachlässigt. Anfangs scheint es ein Geschenk des Himmels zu sein, als der patente Paul plötzlich auftaucht und sich um Haus und Garten kümmert. Schnell aber übersteigt sein Einsatz das eigentliche "Kümmern" um eine senile alte Dame, Paul und Gwen fangen vielmehr ungeniert an zu turteln und auch wenn Connie ihrer Mutter sicherlich einen zweiten Frühling gönnen würde, geht das hier offensichtlich doch zu weit! Connie beginnt, Pauls Motive und sein Vorleben zu durchleuchten und stellt viel zu spät fest, dass er ein perfides Spiel spielt.

Alte Scheunen brennen gut?

John Marrs - Fachmann für verwinkelte und verdrehte Familiengeschichten die sich oft ganz anders entwickeln als anfangs gedacht - erzählt hier aus dem beschaulichen, englischen Buckinghamshire. Hierhin ist die nicht mehr ganz junge aber auch noch nicht ganz alte Connie ihrer Mutter zu liebe zurückgekehrt, denn diese kann nach dem Tod ihres Mannes offensichtlich nicht mehr allein leben. Schnell merkt der Leser, dass ein besonders schönes, spannendes Leben auf keinen der beteiligten Protagonisten wartet. Vielmehr ist das Leben geprägt von Langeweile und Frustration und so stießen die Avancen der "helfenden Hand" Paul anfangs bei mir durchaus auf ein gewisses Verständnis. Warum soll sich eine alte Dame am Ende ihres Lebens nicht an einer jugendlichen Begleitung erfreuen, warum nicht einfach mit einem jungen Mann ein paar schöne Dinge unternehmen? So aber denkt sicherlich nur eine Nichtbetroffene und Connie, die hier mehrheitlich als Ich-Erzählerin auftritt, sieht das naturgemäß vollkommen anders.

John Marrs wäre aber sicherlich kaum John Marrs, wenn er es mit diesem einfachen - und doch so alltäglichen - Plot belassen würde. So stößt der Leser alsbald auf andere Ungereimtheiten, die allerdings nicht nur den hilfreichen Paul betreffen. Warum kann Connie, die doch viele Jahre in Italien lebte und hier als Hochzeitsplanerin ein erfolgreiches Unternehmen betrieb, nicht ein einziges einfaches italienisches Gericht kochen? Warum verhaspelt sie sich bei den einfachsten italienischen Worten? Warum verkauft sie die Produkte des Feinkostladens als ihre eigenen Kreationen und warum äußert sich Gwen manchmal geradezu rätselhaft über sie?  Marrs lässt es dem Leser langsam schwanen, dass hier so einiges nicht stimmt und schafft damit eine Spannung, die dem Ausdruck des Thrillers einmal mehr gerecht wird.

Zurückhaltende Erzählung

Wer aber Marrs' frühere Romane kennt, wundert sich aber dennoch ein bisschen. So wirken die hier beschriebenen Verbrechen gegenüber seinen früheren Werken fast ein wenig harmlos. Vielleicht fehlt hier auch ein wenig seine erzählerische Wucht, die die früheren Krimis auszeichnete.  Manchmal fragte ich mich auch, ob hier nicht einfach ein englisches Kapitel der alten Serie "Gauner gegen Gauner“ erzählt wird. Marrs Buch handelt sicherlich auch von Kapitalverbrechen - aber diese werden recht harmlos verkauft und nach meinem Dafürhalten, hätte der Roman mit der ersten Auflösung enden können. Hier setzt der Autor aber noch eins drauf und dieses Ende war für mich zwar auch nachvollziehbar, wirkte aber dennoch eigenartig zerfasert und irgendwie ein wenig "aufgepfropft".

Fazit

Wir alle zitieren sicher manchmal, dass "man sich die Familien nicht aussuchen kann" und auch dass die "alten Scheunen am besten brennen". Was sich aber an anderen möglichen Untaten noch zusätzlich hinter diesen Sprichworten verstecken kann - oder wie sie ins Gegenteil verkehrt werden können - das sieht man nicht immer direkt und Marrs kann diese Verstrickungen spannend erzählen.

Der Feind in ihrem Haus

John Marrs, Edition M

Der Feind in ihrem Haus

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