Bis aufs Blut

  • Atrium
  • Erschienen: April 2024
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Bis aufs Blut
Bis aufs Blut
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Thomas Gisbertz
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2024

Cranor ist die neue Stimme des Southern Noir - Brutal, ungefiltert, bewegend.

Trent Powers zieht mit seiner Familie von Kalifornien nach Arkansas, um die Position des Cheftrainers der Denton Pirates zu übernehmen, einer High-School-Footballmannschaft, die von einem unberechenbaren, aber talentierten Running Back namens Billy Lowe angetrieben wird. Der 18-jährige Billy lebt in äußerst problematischen Verhältnissen in einem Trailer-Park, wo er vom gewalttätigen Freund seiner alkoholkranken Mutter täglich tyrannisiert wird. Billy lebt seine Wut und seinen Hass auf dem Spielfeld aus und es dauert nicht lange, bis er eine Grenze überschreitet. Anstatt ihn jedoch zu bestrafen, nimmt ihn sein strenggläubiger Trainer Billy bei sich und seiner Familie auf. Powers erkennt sich selber im rebellischen Jungen wieder und hofft, seinen Starspieler so zu beschützen, während für die Pirates die Playoffs beginnen. Doch als Billys verhasster Stiefvater ermordet aufgefunden wird und seine Mutter mit dem kleineren Bruder verschwindet, kann nichts eine explosive Gewaltkette aufhalten, die von Vorurteilen, Schuld und Vergeltung geprägt ist.  

US-amerikanischer Autor

Der 36-jährige Eli Cranor ist Autor und Kolumnist für verschiedene Zeitungen. Bevor er zum Schreiben kam, war er Profi-Footballer und Trainer eines Highschool-Teams. Er studierte Englisch und Politikwissenschaften an der Ouchita Baptist University. 2017 gewann er für seine Kurzgeschichte „Don‘t know tough“ den „Robert Watson Literary Prize“ der Greensboro Review. Die Geschichte bildete die Grundlage für seinen späteren Debütroman. Sein von der Kritik international gefeierter Thriller „Bis aufs Blut“ gewann unter anderem 2023 den renommierten „Edgar Award“ als bester Debütroman und wurde von der New York Times als bester Kriminalroman 2022 ausgezeichnet. 2023 erschien in den USA sein zweiter Roman „Ozark Dogs“, im Juli wird sein aktueller Thriller „Boiler“ veröffentlicht werden. Cranor lebt in Arkansas und ist „Writer in Residence“ an der „Arkansas Tech University“ in seinem Heimatort Russellville.

Der Lebensweg als Sackgasse

Mit schonungslosem Realismus schildert Eli Cranor das Schicksal eines jungen Mannes, der in schwierigen Verhältnissen aufwächst und für den das Leben kein Happyend vorgesehen hat. Trotz aller Hoffnungen gibt es für den talentierten Footballer Billy kein Entkommen aus dem Mikrokosmos seines Ortes. Im Provinznest Denton laufen die Dinge einfach anders. Sein Vater ist unbekannt, seine trunksüchtige „Momma“ biedert sich anderen Männern an, sein Stiefvater Travis wird ihm gegenüber immer wieder gewalttätig und sein älterer Bruder Ricky, der einst ebenfalls ein großes Footballtalent war und nun mit seiner Familie in einem Trailer dahinvegetiert, lässt ihn erahnen, wie seine Zukunft aussehen wird.

Einzig sein Trainer scheint Billy helfen zu wollen. Der vom äußert konservativen evangelikalen Glauben geprägte Powers war einst ebenfalls ein rebellischer Teenager und wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht. Er weiß, wie es sich anfühlt, alleine zu sein. Nun will er Billy „auf den rechten Weg führen“, während der aufbrausende, cholerische Schulleiter Bradshaw den „Hillbilly“ einfach nur abrichten will - wie einen Hund. Und Billy? Der will nicht für den Rest seines Lebens nach Abfall stinken und hofft auf ein Stipendium an einem College. Und für Trents Tochter Lorna, die das Gute in ihm zu erkennen vermag, ist Billy sogar bereit, sich zu verändern. Doch dann setzt der Mord an seinem gehassten Stiefvater eine Verkettung von Ereignissen in Gang, die selbst den bulligen Footballer in die Knie zwingen.

Sprachgewaltiger Erzählstil

Eli Cranors Sprache ist direkt, aufwühlend, authentisch. Er schreibt zutiefst bewegend und gleichzeitig lebendig. Der Roman ist keine leichte Lektüre, aber eine notwendige. Der Autor zeigt seine Figuren in all ihrer Zerrissenheit und schafft es, Brutalität, Gewalt und Verzweiflung eine menschliche Seite abzugewinnen. Während viele in Billy nur ein verwahrlostes Tier sehen, verleiht Cranor seinem Protagonisten Tiefe, lässt in seine Seele blicken und gibt ihm etwas wie Würde, ohne sich ganz auf seine Seite zu schlagen. Ein Buch, das von der Hoffnung geprägt ist, etwas verändern zu können, und das im selben Moment aufzeigt, dass dies nicht möglich ist. Ein erschütternder, schmerzvoller Thriller, der uns fassungslos zurücklässt. Die Wirklichkeit kennt eben nicht immer Gewinner, genauso wenig wie der Roman.

Fazit

Eli Cranors Debüt besitzt eine unglaubliche erzählerische Wucht, seine Figuren erscheinen über alle Maßen lebensecht und seine Sprache ist ebenso prosaisch wie authentisch. Ein Roman, der weh tut und lange nachhallt, da er bei aller Fiktion die Augen nicht vor der Realität verschließt.

Bis aufs Blut

Eli Cranor, Atrium

Bis aufs Blut

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