A Chateau Under Siege
- Quercus
- Erschienen: März 2024
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Das Böse wird vertrieben aus dem Paradies.
Das Böse wird vertrieben …
In seinem mittlerweile 16. Abenteuer besucht Bruno mit seinen Freunden aus St. Denis auf dem mittelalterlichen Marktplatz von Sarlat ein Spektakel, bei dem die Rückeroberung der Stadt von den Engländern durch französische Truppen mit der tatkräftigen Hilfe der Stadtbevölkerung im Jahre 1370 nachgestellt wird. Held der damaligen Ereignisse ist Bertrand du Guesclin, ein okzitanischer Ritter, der an einem Markttag mit in die Stadt eingeschmuggelten Kriegern und lokalen Marktweibern zunächst die englischen Wachen abfüllte und dann die Stadt eroberte.
Während der Vorstellung um die kriegerischen Ereignisse, die hunderte Einheimische und Touristen von eigens errichteten Tribünen aus verfolgen, bricht der Darsteller von du Guesclin scheinbar von einem Messerstich getroffen in einer großen Blutlache zusammen. Während Bruno die panische Menge mit seinen Kollegen zu kontrollieren sucht, leistet Fabiola, befreundete Ärztin aus St. Denis, dem Verletzten erste Hilfe. Trotz des erheblichen Blutverlustes wird der Darsteller nicht etwa in das nächste Krankenhaus, sondern von einem Militärarzt, der den Verletzten zu kennen vorgibt, eilig in einen Hubschrauber verfrachtet und in ein entferntes Militärhospital gebracht, was Fabiola angesichts des Blutverlustes für unverantwortlich hält.
Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei dem Darsteller um Brice Kerquelin handelt, ein hohes Tier im französischen Geheimdienst DGSE und stationiert in einem Kastell in der Nähe, wo man sich vor allem mit der Kommunikationsaufklärung beschäftigt. Kerquelin bewohnt mit seiner jüngeren Tochter Nadia - die ebenfalls bei dem Spektakel mitspielte - ein Herrenhaus, und kurz nachdem Bruno auf Order von General Lanne, dem bereits aus mehreren Büchern der Reihe bekannten hohen französischen Geheimdienstoffizier, dort eintrifft, ist nicht nur ein Sicherheitskommando von Kerquelins Dienststelle vor Ort, sondern auch dessen geschiedene Ehefrau, vielleicht die zukünftige Chefin des DGSE.
Und als ob das noch nicht genug wäre, sollen in Kürze einige sehr bekannte und sehr reiche Persönlichkeiten aus dem Silikon Valley, aus Indien und aus Taiwan im Perigord eintreffen, allesamt ebenso wie Kerquelin befasst mit den neuesten Entwicklungen der Mikrochiptechnologie. Untergebracht hat Kerquelin seine Gäste im mondänen Chateau de Rouffillac, und so wird Bruno, der Dorfpolizist, wieder einmal unter den Befehl von Lanne gestellt, um gemeinsam mit einer Eliteeinheit des Militärs, die ihr Camp im nahegelegenen Wald aufschlägt, unauffällig für die Sicherheit der bedeutenden und möglicherweise stark gefährdeten Gäste zu sorgen, während sie auf die Genesung ihres Gastgebers warten. Daran scheinen sie alle trotz der Schwere seiner Verletzungen übrigens keinerlei Zweifel zu hegen. Schon bald entdeckt Bruno auch noch, dass sich eine verdächtige Gestalt am Chateau herumtreibt, die alarmierenderweise auch schon Kontakt mit der siebenjährigen Tochter der Eigentümer hatte. Bruno ist verwirrt: War die schwere Verletzung Kerquelins ein Unfall oder ein Mordversuch und wie geht es dem Verletzten, zu dem niemand, nicht einmal seine Töchter, Kontakt zu haben scheinen? Das ganze Geschehen scheint Bruno höchst mysteriös, und das natürlich ganz und gar zu Recht, wie sich bald ergibt.
… aus dem Paradies
Martin Walker kann oder will seine Herkunft als ehemaliger internationaler Journalist nicht verleugnen, und so wird die eigentlich verschlafene Dordogne wieder einmal zum Schauplatz internationaler Verwicklungen auf höchster Ebene, und Dorfpolizist Bruno ist einmal mehr mittendrin. Wie in jedem der fünfzehn vorhergehenden Bücher wechseln sich daher halsbrecherische Actionszenen ab mit der Beschreibung des idyllischen Lebens im Perigord mit seinem hervorragenden Essen, seinen feinen Weinen und seiner provinztypischen Geselligkeit. Immer wieder einmal legt Bruno sozusagen die Maschinenpistole aus der Hand, um für seine Freunde oder die hohen Gäste im Chateau zu kochen, und die Pflichterfüllung beim Wachdienst und der Genuss hervorragender Croissants zum Frühstück scheinen in keinem Widerspruch zueinander zu stehen. So richtig glaubhaft ist das alles nicht, aber vielleicht geht es darum ja auch gar nicht.
Walker - selbst Einwohner der Dordogne und vielleicht ihr größter, jedenfalls aber ihr bekanntester Fan - zeigt uns eine Art Bullerbü für Erwachsene, bestehend aus Genuss, guter Nachbarschaft, Hilfsbereitschaft, Freundschaft und Toleranz. Und wer dieses Idyll stört, der wird von unserem Helden Bruno mit allem Nachdruck, notfalls auch mit Gewalt und am Ende stets erfolgreich aus diesem Paradies hinausexpediert. Welch schöne, heile Welt, und wer würde sich danach in heutiger Zeit nicht sehnen?
Die vielen Leser der Bruno-Romane jedenfalls tun es offenbar, und das macht sicher einen guten Teil von Walkers Erfolg aus. Allerdings hat das auch ein paar Nachteile. Der Protagonist Bruno scheint zeit- und alterslos, und sein sympathischer und aufrechter Charakter duldet keinerlei Brüche. Noch immer trauert er seiner großen und unerreichbaren Liebe Isabelle nach, und neu verlieben darf er sich auch nicht, weder in Florence, die ihn anhimmelt, seit er dazu beitrug, ihr und ihren beiden Kindern einen Platz im Paradies von St. Denis zu schaffen, noch in Claire, die ältere Tochter von Kerquelin. Die, schön und gefühlt allenfalls halb so alt wie Bruno, macht Ihm eindeutige Avancen, denen er aber mannhaft widersteht, nur weiß man eben nicht recht wieso eigentlich, ist er doch ein freier Mann. Nur für ein bisschen Sex mit seiner alten Flamme Pamela reicht es.
Schade, dass sich Bruno noch immer nicht weiter entwickeln darf, vielleicht weil der Autor (oder der Verlag?) Sorge haben, er könnte dann einige seiner vielen Fans verlieren. So geht es wohl vielen Romanreihen, in deren Mittelpunkt ein einzelner Protagonist steht. Nur besteht dann die viel größere Gefahr darin, dass das ganze langweilig wird, und das haben der Autor und sein Held nicht verdient, zumal die von Walker in unterhaltsamer Weise angesprochenen „ernsten“ Themen, wie hier etwa die russische Spionage und der Einfluss von KI auf diese geheime Welt, durchaus kenntnisreich und gut recherchiert sind und es verdient hätten, stärker im Mittelpunkt zu stehen.
Fazit
Die deutsche Übersetzung wird Ende April 2024 unter dem Titel „Im Chateau“ bei Diogenes erscheinen, und Bruno-Fans freuen sich sicher schon darauf. Dies umso mehr, als für Juni 2024 bereits die nächste Folge in englischer Sprache angekündigt ist. Walker scheint also auch mit 77 Jahren weder der Stoff noch die Energie auszugehen, Bruno in weitere Abenteuer zu schicken. Das sechzehnte Buch der Reihe ist ein recht unterhaltsames, aber ziemlich vorhersehbares und damit manchmal auch etwas langweiliges Lesevergnügen. Der Autor dieser Zeilen würde sich deshalb ein bisschen weniger Routine und ein bisschen mehr charakterliche Weiterentwicklung der Hauptfigur wünschen. Das Potenzial dazu hätte Bruno allemal, und Martin Walker sowieso.
Martin Walker, Quercus
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