Paris Requiem

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2024
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Paris Requiem
Paris Requiem
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Sabine Bongenberg
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2024

Die Kunst, sich mit dem Feind zu arrangieren.

Paris 1940 - die Stadt hat sich ergeben, de Gaulle ist geflüchtet und hat seine berühmte Rede an alle Franzosen hinterlassen. Dennoch müssen die Menschen in Paris jetzt mit der Besatzung zurechtkommen. Inspecteur Edouard - Eddie - Giral nimmt daher auch seine Arbeit wieder auf und wird direkt zu einem grausigen Fall gerufen. Das Opfer Julot "le Barvard" (Julot, der Schwätzer), wie man ihn in seinen Kreisen nannte, war sicherlich kein besonders ehrenwerter Bürger, dennoch hätte er es sicherlich nicht verdient, dass ihm vor seinem Tod der Mund mit dickem Zwirn zugenäht wurde. Hat er vielleicht doch einmal zu viel geredet?

Giral nimmt seine Ermittlungen auf und erfährt Erstaunliches: Eigentlich hätte Julot noch ein paar Jahre im Gefängnis verbringen müssen und er ist auch nicht der Einzige, der auf diese Art und Weise gefoltert und getötet wurde. Alsbald häufen sich die Todesfälle mit dieser gruseligen Unterschrift und alles deutet auf einen bösartigen Verbrecher namens "Capeluche" hin. Aber wer verbirgt sich hinter diesem Pseudonym?

Der Spagat zwischen Ermittlungsarbeit und Kollaboration mit der Besatzungsmacht

Chris Lloyd berichtete bereits im ersten Band "Die Toten vom Gare d'Austerlitz" über seinen einsamen, im ersten Weltkrieg schwer traumatisierten Inspecteur. Bereits hier wurde der als Ich-Erzähler auftretende Giral zwischen seiner Aufgabe als Gesetzeshüter, der ungeachtet von Nationalität und Stand Verbrechen aufklärt, und der deutschen Besatzung, die sich gerade als Urheber der schlimmsten Untaten entpuppte, aufgerieben. An diesem Konflikt hat sich auch im zweiten Band nichts geändert. Eddie gerät vielmehr noch in einen schlimmeren Zwiespalt, versucht er doch nicht nur seinen eigenen Sohn Jean-Luc zu schützen, sondern auch schwarzen Freunden, die er aus seiner Jugend kannte, beizustehen. Immerhin - seinen Sarkasmus hat er nicht verloren und die Leser/innen können sich immer wieder gut vorstellen, wie er auf diese Art und Weise und mit dem berühmten französischen Schulterzucken die neuen, deutschen Herren in den Wahnsinn treibt.

Lloyd lässt seinen Helden über vieles aus der Besatzungszeit berichten. So zum Beispiel über die immer weiter fortschreitende Rationierung der Lebensmittel, die die Französinnen und Franzosen immer weiter in die Unterernährung trieb, wogegen die Besatzer aus dem Vollen schöpfen und unerhörte Mengen von Lebensmitteln ins Deutsche Reich transportieren konnten. Gut dargestellt ist auch die anfängliche Ahnungslosigkeit der Franzosen gegenüber dem deutschen Rassenwahn, realisieren sie doch erst schrittweise, welche grausame Behandlung jenen bevorsteht, die nicht dem deutschen Arierbild entsprechen.

Die einen hungern, die anderen schlemmen, die einen biedern sich an...

Eddie Giral lässt uns daran teilhaben, wie schwer sich das Leben für französische Polizisten unter der deutschen Besetzung gestaltete. Von ihren französischen Landsleuten wurden sie als mögliche Kollaborateure misstrauisch beäugt, von den Deutschen wurden sie mit Verachtung behandelt. Nicht zuletzt hatten sie ihre persönlichen Dramen zu bewältigen, hatten doch auch unter ihnen viele Söhne an der Front verloren oder sorgten sich um bereits verhaftete Familienangehörige und Freunde.

Vor diesem Hintergrund tritt der eigentliche Krimi mit seiner Auflösung ein wenig in den Hintergrund, ist doch schon recht bald klar, wer hinter den Morden steckt. Für meinen Geschmack traten auch sehr viele Personen auf, die mich gelegentlich verwirrten. Gut eingebunden ist aber auch hier die erneute Gratwanderung unseres Polizisten. Auch hier muss er nach der Pfeife der Täter tanzen, will er doch seinen Sohn schützen und auch die Kooperation mit den "Boches" kann manchmal helfen, damit Freunde und Bekannte geschützt werden können.

Fazit

Chris Lloyd präsentiert einen weiteren spannenden Krimi über einen tapferen Verfechter des Rechts während der Besatzung Paris' durch die Deutschen. Vielleicht kommt der Ursprungs-Krimi ein wenig zu kurz, vielleicht werden doch viele Baustellen eröffnet. Dennoch wird das Chaos, das nach der Besetzung geherrscht haben muss, beeindruckend und deutlich dargestellt.

Paris Requiem

Chris Lloyd, Suhrkamp

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