Auch beim zehnten Mal kommen Victor Fans auf ihre Kosten.
Das läuft eigentlich gar nicht nach Victors Plan. Der Auftragskiller landet im Gefängnis und wird des Mordes an einen Mann beschuldigt, der zwar tatsächlich sein Ziel war, aber eben nicht von ihm erledigt wurde. Victor wäre aber nicht Victor, wenn die Situation im Gefängnis für die Insassen schlimmer ausgehen wird als für ihn selbst.
Kurzer Knast-Aufenthalt
Es ist schon eine Weile her, dass ich die Serienfigur von Autor Tom Wood im ersten Auftrag „Tesserract“ kennengelernt habe. Viele Jahre später liegt nun also Band 10 vor. Wer den eiskalten Profikiller bereits kennenlernen durfte, der weiß, dass Tom Wood nicht unbedingt auf nuanciert ausgearbeitete Charaktere und aufwendig konstruierte Plots fokussiert, sondern vielmehr auf griffige, geradlinige Stories mit kompromissloser Action und gutem Gespür für Timing.
So geht es auf den ersten Seiten direkt in typischer Tom Wood bzw. Victor Manier los. Manöverplanung, Gegneranalyse, Waffennutzung, Verletzungsprognosen und jedwede mögliche Konsequenz für diejenigen, die sich Victor in den Weg stellen, werden detailreich geschildert. Auch eine ausgiebige Schlägerei im Gefängnis wird so über mehrere Seiten inszeniert. Zugegeben, ich hatte bei dem Klappentext erwartet, dass wir deutlich mehr Zeit hinter Gittern verbringen, und Victor sich hier mit den widrigen Bedingungen, brutalen Insassen oder korrupten Wärtern rumschlagen muss. Doch der Aufenthalt ist eher nur ein Zwischenspiel. Wieder auf freiem Fuß aber macht sich Victor daran Aufklärung zu betrieben. Denn offenbar hat es jemand auf ihn abgesehen und die Spuren führen zu einer mächtigen russischen Organisation.
Detailverliebtheit bremst Spannung aus
Nach einem spannenden ersten Drittel schleichen sich allerdings Längen ein. Victors Vorgehen ist zwar wie immer planvoll, aber nun auch etwas zäh erzählt. Die Detailverliebtheit von Tom Wood - wenn etwa in einem Krankenhaus jede Steckdose und weiteres Interieur beschrieben wird - streckt Szenen immer wieder unnötig und nimmt Spannung. Zwar ist Tom Woods Stil generell ein wenig kühlt und distanziert, was Victors wenig emotionalen Charakter widerspiegelt, doch gerät mir dabei auch die Übersetzung immer mal wieder durch Wortwiederholungen oder uninspirierte Satzanfänge etwas steif.
Gut aber dass Tom Wood sich zum Ende wieder auf seine Stärken besinnt. Die Geschichte nimmt wieder Fahrt auf. Auch stehen die weiteren Figuren besser zusammen. Zu seiner Brokerin Phoenix pflegt Victor ein besonderes Verhältnis, muss aber dennoch äußerste Vorsicht walten lassen. Glücklicherweise verkommt der wortkarge Killer nicht zur überstilisierten Supermaschine. Auch er muss bei sich Nachlässigkeit erkennen und kommt nicht ohne Blessuren davon.
Fazit
Auch wenn Tom Wood diesmal im wahrsten Sinne Gefangene macht, so geht es auch in Band 10 immer wieder ordentlich zur Sache. „Traitor“ liest sich insgesamt flott und Victor Fans kommen sicher auf ihre Kosten. Zwar gibt es keinen übermäßig spektakulären Showdown dafür aber eine unerwartete Überraschung. Mir hat dennoch etwas mehr Schärfe und Durchschlagskraft gefehlt. Die gibt es aber vielleicht schon im nächsten Band. Der ist im Buch angekündigt.
Tom Wood, Ronin
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