Wenn die Nacht endet

  • Kindler
  • Erschienen: Mai 2024
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Wenn die Nacht endet
Wenn die Nacht endet
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Thomas Gisbertz
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2024

Wenn die moralische Ordnung aus den Fugen gerät.

Jemand wolle die Jungen aus Skavböke töten. Das haben die Leute hinterher in der Gegend gesagt. Und da war das Schlimmste noch gar nicht geschehen. Doch eins stand bereits damals fest: Irgendjemand war über Nacht zum Mörder geworden. Kurz vor Weihnachten wird der 18-jährige Mikael Söderström tot im Kofferraum eines Wagens aufgefunden. Mit seinen Freunden war er in der Nacht zuvor auf einer Party, doch niemand im Dorf kann und will glauben, dass einer von ihnen der Täter ist. Die beiden ermittelnden Polizistinnen Siri Bergsson und Gerd Pettersson versuchen zu verstehen, wie alles zusammenhängt. Dabei stoßen sie immer wieder auf zwei Namen: Killian Persson und Sander Eriksson. Doch nachweisen kann man dem ungleichen Gespann, das seit der Kindheit unzertrennlich ist, nichts. Während ein schrecklicher Unfall geschieht und sich die Gegend regelrecht aufzulösen scheint, verlaufen die Spuren im Sande.

Als an einem heißen Julitag, mehr als zwanzig Jahre später, ein weiterer Mord in Skavböke geschieht, übernimmt Vidar Jörgensson von der Polizei Halmstad den Fall. Seine Ermittlungen führen zurück zu den Ereignissen von damals. Aber in den hellen Sommernächten beginnen sich die Grenzen zwischen Früher und Jetzt, den Toten und den Lebenden aufzulösen.

Schwedischer Krimipreis 2023

Christoffer Carlsson, geboren 1986, wuchs außerhalb von Marbäck an der Westküste Schwedens auf. Er promovierte in Kriminologie an der Universität Stockholm. Seine Dissertation und weitere wissenschaftliche Publikationen beschäftigen sich mit der Entwicklungskriminologie, die auch in gewisser Weise Gegenstand seiner Romane ist. 2012 wurde der schwedische Autor mit dem Young Criminologist Award der European Society of Criminology ausgezeichnet. Für seinen Debütroman um den Polizisten Leo Junker „Der Turm der toten Seelen“ erhielt er 2013 als jüngster Preisträger mit 27 Jahren den Schwedischen Krimipreis. Die Reihe um den Polizisten Leo Junker erscheint in 20 Ländern. Sein Roman „Unter dem Sturm“ war 2019 ebenfalls für den Schwedischen Krimipreis nominiert. Diesen erhielt Christoffer Carlsson 2023 für seinen neuen Halland-Krimi „Wenn die Nacht endet“. Es ist gleichzeitig der dritte Roman rund um den ermittelnden Kommissar Vidar Jörgensson, der in den voneinander unabhängigen Erzählungen neben dem Schauplatz eine Art Bindeglied darstellt. Die ungewöhnlich „normale“ Zeichnung des Polizisten sorgt dafür, dass stets die handelnden Figuren sowie ihre Geschichten und nie die Ermittlungen im Vordergrund stehen. Gerade das zeichnet die Romane des Autors aus.

Freundschaft und Trennung

Christoffer Carlsson ist längst kein Geheimtipp mehr und dennoch kennen ihn hierzulande immer noch zu wenige. „Wenn die Nacht endet“ verbindet Elemente des Coming of Age mit denen einer Kriminalerzählung. Es geht um Freundschaft, Liebe, Schuld, zerbrechende Beziehungen und Vergebung. Junge Menschen an der Grenze zum Erwachsenwerden, denen die Welt zu gehören scheint und die der Enge des Dorfes entfliehen wollen. Die bereit zum Aufbruch sind. Hinein in das Dunkle der Nacht, ohne zu wissen, wohin der Weg einen führt. Aber auch von denen, die das Leben in Skavböke festhält. Im Mittelpunkt dabei stehen mit Sander und Killian zwei junge Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die aber ein unsichtbares Band verbindet und die füreinander alles tun würden - bis zu jener kalten Dezembernacht, die das Gefüge in ihrem kleinen schwedischen Dorf durcheinanderwirbelt und die eine Kette von Ereignissen auslöst, an deren Ende nichts mehr ist wie zuvor.

Wundervoller Erzählstil

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann die Tatsache, dass es sich Carlsson mit der Ermordung von Mikael Söderström recht einfach macht: keine eindeutigen Fußspuren im Schnee, einer dritten Spur geht man nicht nach, es werden verbotene Bluttests gemacht etc. Zwar sind DNA-Spuren vorhanden, aber selbst Vidar Jörgensson lässt diese auch Jahre später kaum auswerten. Die Analyse des Tatorts dient lediglich dazu, Verdachtsmomente aufkommen zu lassen, ohne etwas beweisen zu können.

Dass der Roman dennoch bestens funktioniert, liegt am erneut eindrucksvollen Schreibstil des Autors. Mit einer eindringlichen Sprache und ausdrucksstarken Bilder gelingt es Christoffer Carlsson eine dichte, packende Atmosphäre zu schaffen, die den Leser eintauchen lässt in den Mikrokosmos von Skavböke. Die Figuren bieten eine starke Charakterzeichnung und wirken dadurch äußerst lebensecht. In oftmals kraftvollen Dialogen sinnieren sie über das Leben, ihre Zukunft und das, was sie verbindet, aber auch trennt. Wie belastbar ist Freundschaft und wie weit würde man für sie gehen?

Fazit

Ein exzellent geschriebener, tiefgründiger Kriminalroman und eine bewegende, melancholische Geschichte um eine ganz besondere Freundschaft. Auch wenn der Roman nicht ganz an die Klasse des Vorgängerbandes „Was ans Licht kommt“ heranreicht, unterstreicht Carlsson eindrucksvoll, warum er aktuell einer der angesagtesten skandinavischen Krimiautoren ist.

Wenn die Nacht endet

Christoffer Carlsson, Kindler

Wenn die Nacht endet

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