Das Mörderarchiv
- Rowohlt Polaris
- Erschienen: Januar 2024
- 9
Die Geschichte lässt Schwung und Spannung vermissen.
Vor ihrem Umzug nach England hat Kristen Perrin als leidenschaftliche Buchhändlerin in Seattle gearbeitet. Ihr Faible galt der Kinderliteratur, was bestimmt auch der Ausgangspunkt für ihre Tintenmagie-Trilogie war, in der Enna und ihre Geschichtenwandler-Freunde im Mittelpunkt stehen. Jetzt hat sich Kristen Perrin an ihren ersten Roman für Erwachsene gewagt und mit „Das Mörderarchiv“ einen typischen Cozy-Crime vorgelegt.
Die Weissagung der Tante Frances
Eine Wahrsagerin prophezeite der 17-jährigen Frances Adams, dass sie ermordet wird. In der ziemlich kryptischen Weissagung geht es um Vögel, eine Königin und die rechte Tochter. Fortan schwebt die Prophezeiung wie ein dunkler Schatten über Frances Leben. Und jetzt, sechzig Jahre später, wurde sie tatsächlich ermordet! Doch vorher hat sie ihr Testament noch geändert. Großnichte Annie und Stiefneffe Saxon sollen den Fall innerhalb von sieben Tagen lösen und wer von den beiden das schafft, erbt alles – das herrschaftliche Anwesen und eine Menge Geld. Eine kleine Hilfe für die beiden könnte ein umfangreiches Archiv sein. Frances hat jahrzehntelang die Einwohner des kleinen Dörfchen Castle Knoll ausspioniert und alle ihre Vergehen in unzähligen Aktenordnern notiert. Annie ist sich bald sicher, dass jeder etwas zu verbergen hat und Geheimnisse damit in Castle Knoll keine Seltenheit sind.
Alle Zutaten sind da
Ich lese gerne einmal einen Cozy-Krimi, der mich in ein England entführt, das idyllischer kaum sein kann. Auch im vorliegenden Buch sind alle Zutaten für einen kuscheligen Krimigenuss vorhanden: ein kleines pittoreskes Dörfchen, ein Herrenhaus mit Park und Angestellten, wohlhabender Adel und verarmte Verwandte und natürlich ein Mord in der ganzen Idylle. Doch es zeigt sich, dass zu einem gelungenen Krimi noch mehr gehört als das – natürlich eine spannende Geschichte, welche die Zutaten zu einem packenden Ganzen verwebt. Und die fehlt hier leider.
Zu eindimensionale Figuren in Castle Knoll
Kristen Perrin stellt Annie in den Mittelpunkt ihrer Geschichte. Doch sie ist nicht nur Protagonistin, sie erzählt alles auch aus der Ich-Perspektive und im etwas gewöhnungsbedürftigen Präsenz. Schon bei ihr wird eine Schwäche des Krimis sehr deutlich: Die Figuren sind Klischees und nur sehr eindimensional gehalten. Annie ist ein kleines verhuschtes Mäuschen, das beim Anblick von Spritzen oder gar Blut stante pede in Ohnmacht fällt, wallende Gewänder trägt und das genaue Gegenteil ihrer erfolgreichen und modisch bewussten Freundin ist. Antagonist ist Saxon, der Großneffe von Großtante Frances. Von ihm und allen anderen Figuren im Krimi erfährt man nur so viel, wie die Akten hergeben oder Annie uns wissen lässt. Und das ist nicht wirklich viel! Zwar haben alle ihre Abgründe, doch logisch erscheinen die nicht unbedingt. Und wenn man feststellt, dass alle Freunde und Bekannten aus Frances Vergangenheit auch jetzt noch in dem wenig florierendem Nest wohnen, wird es sehr seltsam. In Sachen Figurenzeichnung wandelt man also auf sehr dünnem Boden. Den kann man auch im Plot wiederfinden, der sich anfangs zwar ganz gut anlässt, dem aber schnell die Luft ausgeht.
Ein wenig packender Plot
Die gewählte Perspektive einer Ich-Erzählerin verlangt einen ausgeklügelten und logischen Plot, damit überhaupt Spannung generiert werden kann. Die Sicht auf die Dinge ist naturgemäß sehr eingeschränkt, das Mitraten wird sehr mühselig, erfährt man doch immer nur das, was uns die Erzählerin wissen lassen will. Zwar baut Perrin immer wieder Ausschnitte aus Frances Tagebuch ein, das sie seit der Weissagung führte, doch verkommt gerade dadurch der Krimi eher zu einem Coming of Age mit der Aussicht auf Mord. Die Schilderungen der Beziehung zwischen Frances und ihren Freunden ist eine langatmige und auch relativ kitschige Angelegenheit, die zwar Hinweise auf den Mörder liefern soll, aber so seicht daherkommt, dass man bald die Lust auf die Ergüsse verliert. Spannung sucht man hier fast vergebens, wie auch in der Mördersuche in der Gegenwart. Zwar kann man sich auf einige Wendungen freuen, doch logisch ist das alles nicht wirklich.
Ein Häppchen für zwischendurch
Wenn Perrin den Text etwas komprimiert und auf allzu ausführliche Tagebucheintragungen verzichtet hätte, hätte die Geschichte wesentlich mehr ihres Potentials genutzt. Doch auch bei aller Kritik - „Das Mörderarchiv“ ist ein Cozy-Krimi, der immerhin zum Mitraten einlädt. Während andere Krimis viel Aufmerksamkeit verlangen, hat man hier eine Geschichte, die aufgrund ihres geringen Anspruchs genau das Richtige für Zwischendurch sein könnte.
Fazit
Ein Cozy-Krimi, der eine wenig spannende und sehr konstruiert wirkende Geschichte für Zwischendurch liefert. Aber auf das idyllische England mit Herrenhaus, reichem Adel und natürlich Mord muss man auch hier nicht verzichten.
Kristen Perrin, Rowohlt Polaris
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