Das Flüstern im Eis
- KiWi
- Erschienen: Januar 2024
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Viel Berg, wenig Krimi.
Lenz Koppelstätter ist ein Südtiroler Journalist, der aber auch sehr erfolgreich seinen Commissario Grauner von Bozen aus ermitteln lässt. Mittlerweile ist mit „Das Flüstern im Eis“ bereits der neunte Band dieser Serie erschienen.
Zwei Tote im beschaulichen Sulden
Touristen und Kletterfans schauen gebannt auf die eisige Nordwand des Ortlers. Zwei Extremkletterinnen liefern sich dort ein packendes Duell. Doch Commissario Grauner wird aus einem anderen Grund in das beschauliche Örtchen Sulden am Fuß des Ortlers gerufen: In der Sporthalle liegt der Chef der örtlichen Bergrettung – auf einem Misthaufen und mit einer Mistgabel in der Brust. Und dann verschwindet auch noch eine der Kletterinnen während des Abstiegs. Während Grauner auf eine Wand des Schweigens stößt, beginnt am Ortler ein Rennen gegen die Zeit, denn ein Gewitter macht die Suche nach der Vermissten fast unmöglich.
Nur die Atmosphäre punktet
Die Gegend rund um den Ortler und das Stilfser Joch ist ein bekanntes Urlaubsgebiet. Schon die Anfahrt zu den 48 Kehren, die hinauf zum Pass führen, ist wunderbar. Sulden, in einem Seitental gelegen, ist Ausgangspunkt für Touren zum Ortler oder andere Hochgebirgswanderungen. Koppelstätter hat diese Atmosphäre gut eingefangen. Immer wieder beschreibt er die Gegend, das Dorf und auch den Ortler selbst. Doch ein gut geschildertes Setting ist nur ein Aspekt für einen gelungenen Krimi. Ein funktionierender Plot mit ordentlich viel Spannung und gut gezeichnete Charaktere sind logischerweise die allernötigsten Zutaten, um eine Geschichte packend zu machen. Doch die fehlen hier leider.
Es mangelt an Spannung
Koppelstätter hat sich eines sehr aktuellen Themas angenommen, überhebt sich aber daran. Die Handlung wirkt konstruiert und zu viele Nebenschauplätze machen dem Hauptgeschehen zu viel Konkurrenz. Und dann natürlich immer wieder die ausgedehnten Beschreibungen von Natur, Kletterei und dem Ortler selbst. Was als Gerüst für die Geschichte gutgetan hätte, spielt sich zu sehr in den Vordergrund und verdrängt das Krimigeschehen fast schon auf einen Nebenplatz. Spannung kommt hierbei kaum auf, vor allem, da die Spuren zur Lösung allzu offensichtlich gelegt werden und der Schluss damit auch kaum Überraschungen bereithalten dürfte.
Wandelnde Klischees bevölkern das Buch
Man muss die Vorgängerbände nicht gelesen haben, um der Geschichte folgen zu können. Der Kriminalfall steht sowieso für sich und die Figuren sind zu eindimensional dargestellt und auf den ersten Blick zu durchschauen. Commissario Grauner liebt seine Kühe und hört beim Melken Mahler; seine Assistentin ist begeisterte Bergwanderin und sein Mitarbeiter aus Neapel liebt Fußball und Espresso – mehr Klischee geht kaum. Selbst der Vorgesetzte dieser Mannschaft ähnelt allzu fatal einem bekannten Vicequestore aus Venedig. Und sogar die Bürgermeisterin von Sulden wandelt auf den Spuren unbeliebter Lokalpolitiker in Südtirol, bei denen Kommerz vor allem anderen steht. Ähnlich plakativ werden dann auch die restlichen Figuren abgehandelt, die alle dem Klischee Bergsteiger und Südtiroler (inklusive Knödel und Speck) entsprechen. Schade - ich hatte mir einiges erhofft von diesem Krimi.
Fazit
Ein fesselnder Krimi sieht anders aus – doch vielleicht die richtige Lektüre für einen Urlaub in der Ferienregion rund um den Ortler. Wenn auch das Geschehen nicht wirklich fesseln kann, wird man dennoch viele Orte wiedererkennen und vielleicht den fast 4000 m hohen Ortler mit anderen Augen sehen.
Lenz Koppelstätter, KiWi
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