Lockvogel

Masi Morris wurde unehrenhaft aus dem Polizeidienst in Tel Aviv entlassen und arbeitet seitdem als Privatdetektivin. Ihr aktueller Fall könnte brisanter nicht sein. Jasmin Schechter – Tochter einer der reichsten Familien des Landes - ist eines Tages verschwunden. Ihr Mann, Dudi Peretz, möchte nicht, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, lässt die Polizei aus dem Spiel und beauftragt Masi mit der Spurensuche. Für sie ist die Ermittlungsarbeit auch deshalb ungewöhnlich, da Dudi ein sehr guter Jugendfreund war.

Schneller Sex für einen klaren Kopf

Daria Shualy lebt selbst in Tel-Aviv. Kein Wunder also, dass uns der Schauplatz der Ereignisse lebendig und lebensnah geschildert wird. Doch der Alltag in der israelischen Metropole zeigt sich nicht nur von der angenehmen Sonnenseite - zumal es in dem Sommer besonders heiß ist. Auch die politisch angespannte Situation - vor dem Massaker der Hamas im Oktober 2023 - ist allgegenwärtig, wenn die Raketenabwehr ihren Dienst leistet und die Menschen immer wieder Schutzbunker aufsuchen müssen. Gut aber, dass Daria Shualy diese Umstände nicht überstrapaziert oder gar unnötig instrumentalisiert. Vielmehr tauchen wir schnell in eben diese besondere Lebensrealität und die kulturellen Begebenheiten in der Nahost-Region ab, in der die Menschen dennoch ihren Lebensmut nicht verlieren.

Mit Masi Morris entwirft die in Israel als Tochter englischsprachiger Eltern geborene Autorin einen überaus eigenwilligen, aber vor allem facettenreichen Charakter. Die selbstbewusste Ermittlerin geht zielstrebig vor, taucht ab in die Machenschaften einer industriellen Großfamilie. Dabei erfahren wir auch immer mehr über ihre persönlichen Hintergründe, ihre nicht gerade einfache Kindheit. Dass sie heute gerne und häufig das männliche Geschlecht aufsucht, dabei nicht unbedingt wählerisch ist, um bei schnellem Sex einen klaren Kopf zu bekommen, mutet anfangs irritierend an, wird aber niemals in oberflächlichen Details geschildert. Vielmehr erleben wir eine selbstbestimmte Frau, die sich mutig und aufgeschlossen dem Leben stellt und ihren Job macht. Die Geschwister ihrer Adoptivfamilie, Tilly und Benji, stehen ihr bei. Doch Masi muss bald erkennen, dass sie es diesmal mit deutlich mächtigeren Widersachern zu tun hat als gewöhnlich.

Zugegeben, der Stil von Daria Shualy ist anfangs ein wenig sperrig. Man muss sich an die Eigenheiten der noch ungeschliffenen Figuren und manch ungewöhnliche Dialoge gewöhnen. Das möchte ich aber nicht als Kritikpunkt auslegen, denn so entsteht schon bald eine sehr eigene und vor allem recht unverbrauchte Krimi-Atmosphäre.

Fazit

Masi Morris ist eine erfrischend ungewöhnliche Privatdetektivin, deren aktuelle Ermittlungen sie nicht nur in dunkle, familiäre Abgründe in Tel Aviv führen, sondern sie auch immer wieder mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontieren. Daria Shualy gelingt ein spannendes und dicht erzähltes Krimi-Debüt mit aufregendem Schauplatz. Sollte Masi Morris einen neuen Auftrag annehmen bin ich gerne wieder dabei.