Over My Dead Body

  • Piper
  • Erschienen: Februar 2024
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Sabine Bongenberg
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2024

Welcher Drecksack hat mich ermordet?

Dr. Miriam Price wird an einem schönen Maitag in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie hatte dort schon fast eine Woche gelegen, der Anblick ist nicht der allerschönste und um sie herum liegen bunt verstreut leere Wodkaflaschen, ausgedrückte Tablettenblister und unverständliche Notizzettel. Die charismatische aber oft als menschlich schwierige Person geltende Ärztin hatte es nach einem Alkoholrückfall offensichtlich geschafft, sich in Jenseits zu katapultieren. Ehrlich gesagt, weinen ihr nicht allzu viele Menschen Tränen nach und auch bei ihrer Nachbarin Winnie Campbell macht sich eine gewisse Erleichterung breit. Zumindest bis zu dem Tag, als sie zum ersten Mal wieder die Stimme ihrer verschiedenen Nachbarin hört. Natürlich glaubt Winnie an eine plötzlich einsetzende Geisteskrankheit, doch in diesem Fall braucht Miriam Price tatsächlich einmal ihre Hilfe. Sie ist nämlich davon überzeugt, dass sie ermordet wurde und nur ihre Nachbarin kann ihr helfen, ihren Mörder zu Strecke zu bringen.

Sarkastisch, respektlos und erfrischend

Miriam Price erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive. Als wäre es nicht genug, dass sie mitten aus ihrem noch recht jungen Leben gerissen wurde und sich die Trauergäste auf ihrer Beerdigung gut und gerne in ein bis zwei Kirchenbänken versammeln können, trifft sie auch im Wartezimmer zum Jenseits auf die übliche Bürokratie. Ihr zuständiger "Admin“ erklärt ihr, dass ihr selbstverschuldeter Tod eine gewisse Wartezeit nach sich ziehen wird. Genauer gesagt, soll sie bis zu ihrem tatsächlichen, natürlichen Todestag in der Wartezone ausharren - und da Dr. Price offensichtlich mit ausgezeichneten Genen ausgestattet wurde, würde das eine mehr als 50jährige Wartezeit nach sich ziehen. Abkürzen lässt sich ein solches Verfahren nicht - es sei denn, die irdische Gerichtsbarkeit käme zu dem Schluss, dass die "arme Seele" tatsächlich ermordet wurde. Miriam beschließt, selbst ihren Mörder zu suchen und ihn der sehr lebendigen Polizei zu übergeben. Aber wie soll sie das hinkriegen? Wer hat schon einmal Kontakt mit den Toten gehabt - außer den üblichen windigen Berufsgruppen? Doch da tut sich überraschend eine unerwartete Möglichkeit auf.

Maz Evans, die ihre Brötchen normalerweise mit dem Verfassen von Kinderbüchern verdient, erklärte zu diesem Buch, dass sie das Schreiben an diesem Roman unter anderem als Hormonersatztherapie verwendet habe, gingen ihr mit zunehmendem Alter doch immer mehr ihrer Mitmenschen gehörig auf den Zeiger. Nun, wer im Zuge des Klimakteriums auch gelegentlich befürchtet, die nächsten Jahre in U-Haft zu verbringen (und möglicherweise spreche ich da aus Erfahrung), ist bei diesem Buch sicherlich gut aufgehoben. Evans lässt nämlich ihre schnoddrige, sarkastische und vor allem politisch unkorrekte Heldin so zu Wort kommen, wie es ihr gerade passt. Nicht nur für Liebhaber des britischen Humors schafft sie damit ein witziges Lesevergnügen. Dennoch sollten die Leser dieses Romans auch ein wenig für Fantasy-Geschichten oder "die Stimmen aus dem Jenseits" übrighaben, denn dieser Krimi orientiert sich nicht allein an den weltlichen Tatsachen.

Die guten, die naiven, die teuflischen

Maz Evans erzählt in ihrem Erwachsenen-Debütroman nicht nur einen Krimi. Sie lässt auch einiges auch Miriams Leben Revue passieren. Dabei erfährt die oft kaltschnäuzige Ärztin aber dann auch so manches, was sie so nicht erwartet hätte: So zum Beispiel, was tatsächlich vom allerbesten Freund Dan zu halten ist, mit dem sie zu den Zeiten ihrer übelsten Trinkgelage um die Häuser zog, ob es sich bei ihrem Verhältnis mit dem Verheirateten Tom tatsächlich um die oft beschworene große Liebe seines Lebens handelte und ob ihre Nachbarin Winnie tatsächlich eine eiskalte Katzenmörderin ist. Miriam nimmt den/die Leser*in mit auf eine spannende Reise durch verschiedene Kapitel ihres Lebens. Sie lernt dabei viele Schicksale und neue Standpunkte kennen, die sie vielleicht doch irgendwann mal zu einer Miriam werden lassen, der ein freundlicher Petrus gerne die goldene Tür aufschließen wird. 

Neben diesen Entwicklungen erzählt Evans natürlich auch noch einen Krimi; dieser wird spannend aufbereitet und letztendlich sauber aufgelöst.  Manchmal empfand ich ihn aber auch als etwas belanglos oder hatte das Gefühl, ein wenig zu stark in eine gewünschte Richtung - fernab vom tatsächlichen Mörder - dirigiert zu werden. Ich finde es immer irritierend, wenn eine mögliche Auflösung auf den letzten Metern mit dem "verschwundenen Kronzeugen" verhindert wird. Ein paar Punkte habe ich auch abgezogen, weil mir einige Botschaften zu sehr mit dem Holzhammer aufgetischt wurden. Der selbstverständlich schwule Bruder, der mit seinem Lebensgefährten und den lebhaften und manchmal schwierigen Kindern zusammenlebt, aber selbstredend eine unendliche Geduld und eine Seele aus Gold hat und wie alle stark geforderten Eltern abends auch mal nur ein Glas Wein braucht und dazu auch noch seine Karriere geopfert hat, um sich um die Familie zu kümmern...Naja. 

Fazit

Miriam Price, Ärztin und stinksaure Detektivin ermittelt aus dem Jenseits in eigener Sache und bereitet ein himmlisches - oder teuflisches - Lesevergnügen. Gerne würde ich noch ein wenig mehr von ihr hören, aber da sie ja ihren großen Auftrag erfüllt hat, dürfte sie vermutlich schon in anderen Sphären schweben - und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Over My Dead Body

Maz Evans, Piper

Over My Dead Body

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