City in Ruins

  • HarperCollins
  • Erschienen: Mai 2024
  • 2
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Sabine Bongenberg
97°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2024

Das Feuerwerk ganz am Schluss...

Danny Ryans Lebens ist langsam in ruhigen Bahnen angekommen. Sein Weg führte ihn von Rhode Island nach Las Vegas - und aus dem Verbrecher ist ein erfolgreicher Hotelier geworden, der jetzt mit großen Visionen aus maroden Häusern stilvolle Luxusoasen schafft. Tatsächlich bringt er zwar immer noch seine Kunden in die Horizontale - aber dieses Mal stehen sie daraus auch wieder auf.

Dennoch gibt es in seinem Leben immer noch genügend Menschen, die nicht gut auf ihn zu sprechen sind und nur auf eine Gelegenheit warten, ihm die Sünden der Vergangenheit heimzuzahlen. Diese Chance bietet sich ihnen, als Danny nicht nur sein ganzes geschäftliches Gewicht, sondern auch noch Wissen aus seiner Vergangenheit in die Waagschale wirft, um den einen, besonderen Lebenstraum zu verwirklichen. Wie Hyänen, die Blut wittern, schießen sie plötzlich aus dem Dickicht und Ryan wird wieder in seine als überwunden geglaubte Vergangenheit gekickt, wo er mit miesen und verbrecherischen Tricks um sein Leben und das seiner Familie kämpfen musste.

Das Feuerwerk kommt zum Schluss

Es ist eigentlich nicht zu fassen: Da legt der großartige Autor Don Winslow diesen beeindruckenden Roman vor - und verabschiedet sich damit von seinen Lesern. Dabei hatte er es immer wieder angekündigt, dass er sich nach diesem Buch in die Politik verabschieden und dem guten Donald das Leben schwer machen wollte. Gelesen haben wir es alle - geglaubt vielleicht nicht wirklich.

In seinem dritten Band um die irische Mafia der Ostküste zieht Don Winslow noch einmal alle Register. Erleben wir zunächst, wie Danny Ryan mitsamt seiner Crew langsam in ein bürgerliches Privatleben abgetaucht ist, zeigt sich, wie schnell dieses bequeme Leben wieder umschlagen kann. Es sind dabei nicht einmal die großen Dinge, die den vormaligen Mafiosi zu Fall bringen - es sind kleine Eifersüchteleien, Nickligkeiten und persönliche Unachtsamkeiten, die sich zuletzt zu einer großen Lawine verbinden.

In vielen Bereichen fühlt sich der/die Leser*in an Marios Puzzos grandiosen Roman "Der Pate" erinnert. Wir erleben Einblicke in die Familie der "Paten" - wenn auch Danny sicherlich diesen Begriff ablehnen würde - und über die Organisationsstruktur ihrer Verbündeten. Die Stärke des Romans liegt auch darin, dass nicht nur Ryan als der Urheber böser Taten dargestellt wird, sondern generell auch seine Widersacher so einiges auf dem Kerbholz haben und das gelegentlich nur geschickter zu tarnen wissen.

Der Mensch stolpert nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel

Winslow lässt viele "alte Bekannte" der Vorgängerbände auftreten. Ähnlich wie im "Paten" beginnt auch sein Roman mit einer Familienfeier, dem Geburtstag von Dannys Sohn Ian und hier erscheinen sie alle, um ihre Aufwartung zu machen: Jimmy MacNeese, weiland beschäftig als Fluchtwagenfahrer, Bernie Hughes, der Buchhalter der Familie, von dem Meyer-Lansky einmal behauptet haben soll, er sei "der einzige Ire der rechnen könne“ und nicht zuletzt der ehemalige Killer Ned Egan. Insgesamt ein paar hundert Jahre Knast kommen so zusammen, mittlerweile alle in Ehren gealtert und ins Privatleben zurückgezogen. Die einzigen, die so richtig aus der Rolle fallen sind die unbelehrbaren Freunde Kevin Cooms und Sean South, die man in Gangsterkreisen ehemals als die "Messdiener" bezeichnete, waren sie doch bei so mancher "Totenmesse" anwesend. Sie fühlen sich auf der bürgerlichen Familienfeier sicher und ahnen nicht, wie schnell sich alles ändern wird.

Winslow zeigt, wie schnell die kleinen menschlichen Dinge den sorgfältig erbauten Turm seines Helden ins Wanken bringen. Da ist die rachsüchtige Ex-Freundin eines getöteten korrupten Polizisten, da ist eine angeblich ach-so-bürgerliche und christliche Politikerin, und nicht zuletzt unterlegene Geschäftspartner, die Gemeinheiten in allzu bereitwillig hingehaltene Ohren flüstern. Es macht die besondere Spannung des Romans aus, dass eigentlich von Anfang an klar ist, dass der tiefe Fall aus dem bürgerlichen Leben in die Kriminalität eintreten muss - die Schnelligkeit und Brutalität überraschen dennoch. Dazu tragen auch die liebevollen Beschreibungen bei, die sich Ryans Familie und seinem engsten Freundeskreis widmen. Grundsätzlich weiß der/die Leser*in dass es sich bei dem Protagonisten um einen Verbrecher handelt, niemand will dennoch, dass engen Freunden und der Familie etwas zustößt und betrauert so mit ihm die großen, persönlichen Verluste.

Für diesen beeindruckenden Schlussakkord wäre natürlich eine Wertung von 100 Grad angemessen gewesen. Ein paar Pünktchen möchte ich dennoch abziehen, da mir ein paar Geschichten zu schnell erzählt wurden und für mich ein wenig unerledigt wirkten. So taucht die scheinheilige Politikerin Camilla Cooper beispielsweise schnell und aggressiv auf, um für meinen Geschmack zu schnell und belanglos wieder in der literarischen Versenkung zu verschwinden. Ein Schicksal, das sie mit der FBI-Ermittlerin Regina Moneta teilt.

Fazit

Es ist nicht zu glauben - Don Winslow verabschiedet sich in die Politik und brennt mit seinem Roman "City in Ruins" ein letztes großes Feuerwerkt ab. Der/die Leser*in kann nicht anders, als sich von seinem Sitz zu erheben und den letzten, großen Applaus zu spenden - "The real Don Winslow - please stand up!".

City in Ruins

Don Winslow, HarperCollins

City in Ruins

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