Zeit der Schuldigen

  • Lübbe
  • Erschienen: Februar 2024
  • 3
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Monika Wenger
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2024

Recht und Gerechtigkeit: Ideal und Realität sind vollkommen unterschiedliche Dinge.

Die siebzehnjährige Nina wird auf dem Heimweg vergewaltigt und anschliessend brutal ermordet. Der Tatverdächtige Volker März wird zweimal vor Gericht freigesprochen, weil die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichen.

Hoffnungslos und unverständlich

Vierzig Jahre nach dem Mord an Nina versuchen ihr Vater Hans, der pensionierte Kommissar Margraf, die Polizistin Anne Paulsen und die Journalistin Sabine den Täter noch einmal Mal vor Gericht zu bringen. Damit verbunden ist die Hoffnung, ihn endlich rechtskräftig verurteilen zu können. Im ersten Prozess ist Volker März schuldig gesprochen worden. Doch aufgrund seiner Berufung und unzureichender Beweise kam er wieder frei.
Jahre später, die Laboranalysen haben sich inzwischen weiterentwickelt, kann die DNA von Volker März dem Mord eindeutig zugeordnet werden. Dennoch gelingt es in einem erneuten Prozess nicht, ihn rechtskräftig zu verurteilen. Das zuständige Gericht erachtet die Beweise nach wie vor als unzureichend. Wieder entkommt der Täter einer Verurteilung.

« Wenn er den Text richtig verstanden hatte, handelte es sich dabei um eine Denkrichtung, nach der die Wahrheit von Aussagen, Forderungen und Prinzipien stets von etwas anderem bedingt war. Absolute Wahrheiten gab es demzufolge nicht. Jede Aussage baute auf Bedingungen auf, deren Wahrheit wiederum auf anderen Bedingungen fußte und so weiter.“

Jahre vergehen, in denen Ninas Vater und seine Freunde weiter nach Möglichkeiten suchen, wie Ninas Tod endlich gesühnt werden kann. Damit der wahre Täter am Ende doch noch für seine Tat bestraft wird. Aber die juristischen Möglichkeiten scheinen ausgeschöpft. Dennoch will Anne Paulsen, die Polizistin, mit allen Mitteln Gerechtigkeit – auch aus persönlichen Gründen. Sie greift deshalb zu unkonventionellen Mitteln.

Zweifel am Rechtsstaat

Als Rechtsanwalt kennt Markus Thiele das Rechtssystem. Deshalb gelingt es ihm, die verschiedenen Rechtslagen verständlich zu erklären. Allerdings ist es schwer zu verstehen, dass sich ein Täter seiner Verantwortung entziehen kann. Da ist es nachvollziehbar, wenn Zweifel am Rechtsstaat aufkommen. Im Kampf um Gerechtigkeit, wird jedem noch so kleinen Detail Beachtung geschenkt. Dem Autor gelingt es ausserordentlich gut, die Verzweiflung des Vaters aufzuzeigen. Ohne seine Freunde, Kommissar Margraf und die Journalistin Sabine, hätte er wohl schon lange aufgegeben.

Das grosse Hintergrundwissen ermöglicht es dem Autor auch die Gegenseite und ihre Argumente nachvollziehbar und einleuchtend darzustellen. So entsteht eine ausgewogene Sichtweise, die dennoch Zweifel am Rechtssystem aufkommen lässt.

„Rechtsstaat bedeutete Rechtsverlässlichkeit, und von diesem Standpunkt aus betrachtet war es durchaus nachvollziehbar, dass ein einmal Freigesprochener nicht ein zweites Mal wegen derselben Tat angeklagt werden durfte.“

Ein aufwühlender Roman der viele Fragen zur Rechtsprechung aufwirft und sehr lange nachwirkt. Gerade weil ein realer Fall als Grundlage dient, geht die Geschichte unter die Haut.

Fazit

Markus Thiele hat einen spannenden Roman zwischen Realität und Fiktion geschrieben. Verschiedene Perspektiven und Zeitebenen wechseln sich ab und umfassen einen Zeitraum von vierzig Jahren. Nicht immer behält man dabei den Überblick. Aber man bekommt viele Denkanstösse und viel Hintergrundwissen.   

Zeit der Schuldigen

Markus Thiele, Lübbe

Zeit der Schuldigen

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