End of Story
- Blanvalet
- Erschienen: März 2024
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Vielversprechende Idee, die aber nicht immer überzeugend umgesetzt wird.
„In drei Monaten werde ich tot sein. Kommen Sie und erzählen Sie meine Geschichte.“ So schreibt der berühmte, aber zurückgezogen lebende Krimiautor Sebastian Trapp an Nicky Hunter, eine Expertin für Kriminalromane, mit der er sich seit fünf Jahren im Briefwechsel befindet. Da er nur noch kurze Zeit zu leben hat, lädt Trapp die junge Frau in seine ungewöhnliche Villa in San Francisco ein, um ihm bei der Verschriftlichung seiner Lebensgeschichte zu helfen. Mehr noch: „Vielleicht lösen Sie und ich sogar ein oder zwei alte Rätsel.“ Das größte Geheimnis betrifft dabei Trapps eigene Familie. Zwanzig Jahre zuvor – am Silvesterabend 1999 – verschwanden seine Frau und sein Sohn an verschiedenen Orten und wurden nie wieder gesehen. Hat der clevere Krimiautor damals das perfekte Verbrechen begangen? Nur warum taucht er dann zwei Jahrzehnte später aus der Abgeschiedenheit wieder auf, um einer vermeintlich Fremden den Einblick in seine Vergangenheit zu ermöglichen? Schnell stößt Nicky bei ihrer Arbeit auf ein undurchdringbares Netz aus Geheimnissen. Nach und nach taucht sie tiefer in die Familiengeschichte der Trapps ein und kommt somit der Lösung des Verbrechens immer näher – und damit auch dem Täter. Und als im Koi-Teich der Familie eine Leiche auftaucht, muss Nicky schockiert feststellen, dass die Vergangenheit nicht verschwunden ist – sie wartet nur.
Kontroverser Autor
Daniel Mallory, bekannt unter seinem Pseudonym A. J. Finn, hat u.a. für die Los Angeles Times und die Washington Post gearbeitet. Der gebürtige New Yorker lebte zehn Jahre in England, bevor er in den Big Apple zurückkehrte. Sein Debütroman „The Woman in the Window“ sorgte 2018 bei seiner Veröffentlichung weltweit für Furore, wurde in 41 Sprachen übersetzt und 2021 verfilmt.
So kometenhaft der Aufstieg des jungen Autors war, so plötzlich drohte seine Karriere wieder zu enden. A. J. Finn sah sich nach der Veröffentlichung seines Debütromans Plagiatsvorwürfen und fehlender Transparenz bei der Übernahme von fremden Inhalten bzw. Ideen für seinen Roman ausgesetzt. Darüber hinaus wurde er der Unwahrheit bezüglich zahlreicher Aussagen zu seiner eigenen Biografie bezichtigt. Der Autor räumte später ein, tatsächlich in mehreren Punkten gelogen zu haben. Er begründete dies mit einer psychischen Erkrankung.
Nun erscheint sechs Jahre nach seinem erfolgreichen Roman „The Woman in the Window“ bei Blanvalet sein zweiter Titel „End of story“, der in seiner Erzählweise und dem Grundkonzept an den Debütroman erinnert, ohne jedoch insgesamt dessen besondere Klasse zu erreichen. Dafür stellt der Thriller in gewisser Weise eine Hommage an den klassischen Kriminalroman dar, indem er in seinem Erzählstil und durch zahlreiche inhaltliche Bezüge an Agatha Christie oder auch Arthur Conan Doyle erinnert.
Schein und Sein
Die Ausgangssituation des Thrillers verspricht durchaus spannende Unterhaltung. Der todkranke Autor der erfolgreichen Krimireihe um den Detektiv Simon St. John lebt seit dem plötzlichen Verschwinden seiner Frau und seines Sohnes vor zwei Jahrzehnten zurückgezogen. Der äußerst wortgewandte und intelligente Trapp lädt nun unerwarteter Weise eine langjährige Brieffreundin ein, über ihn ein „Erinnerungsbuch“ zu schreiben. Nicky Hunter folgt dieser Einladung, da sie zum einen vom weltberühmten Autor fasziniert ist und zum anderen hofft, dass dunkle Familiengeheimnis der Trapps lüften zu können. Als Interviewpartner dienen neben dem Autor vor allem dessen attraktive zweite Ehefrau Diana, seine Tochter Madeleine, seine Schwägerin Simone und sein eigenwilliger Neffe Freddy. Das Erzähltempo ist - typisch für einen Slow-Burn-Thriller - allerdings eher gemächlich, stehen doch die zahlreichen Gespräche im Mittelpunkt des Romans.
Trotz des intelligenten Plots und der clever konstruierten Handlung schafft es der Autor dennoch nicht, die Spannung konstant hoch zu halten. Zum Teil mäandert die Erzählung vor sich hin und verliert sich mitunter in Belanglosigkeiten, langatmigen Dialogen und so manches Klischee. Da kann diesmal auch der Schluss nicht vollends für entschädigen, obwohl es A. J. Finn wie schon beim Debütroman „The Woman in the Window“ versteht, am Ende die zahlreichen Hinweise und Handlungsstränge geschickt zusammenzuführen. Obwohl er beweist, dass er bei den literarischen Vorbildern wie Christie und Doyle genau hingeschaut hat, ist das Ende dennoch etwas zu viel des Guten. So überraschend es für einige sein mag, so unglaubwürdig erscheint es jedoch.
Fazit
Bei allem Wirbel um Autor A. J. Finn im Nachgang zu seinem Debütroman beweist der US-amerikanische Autor, dass er ein durchaus scharfsinniger Schriftsteller ist, der gekonnt mit Schein und Sein zu spielen vermag. Strukturell ein überaus gelungener Roman, der aber in seinem Erzählgestus dieses Niveau nicht halten kann. Insgesamt gelingt A. J. Finn dennoch ein ordentlicher Thriller, auch wenn er sich bei der Umsetzung der interessanten Idee für den Roman auch etwas übernimmt.
A. J. Finn, Blanvalet
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