Im Schatten des Palazzo Farnese

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2003
  • 20
  • Paris: Viviane Hamy, 1994, Titel: 'Ceux qui vont mourir te saluent', Originalsprache
  • Berlin: Aufbau, 2003, Seiten: 240, Übersetzt: Tobias Scheffel
Wertung wird geladen
Thomas Kürten
56°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2003

Drei Kaiser und ein Monsignore

Auch eine Fred Vargas, inzwischen eine der meistgefeierten Vertreterinnen der französischen Kriminalliteratur, hat mal klein angefangen. 1994 hat sie mit Im Schatten des Palazzo Farnese ihren dritten Roman vorgelegt, der jedoch nur in Ansätzen erahnen lässt, zu was die Schriftstellerin fähig sein kann

Drei französische Studenten, die sich die Namen antiker römischer Kaiser gegeben haben, leben zusammen in Rom. Die Stiefmutter des einen ist gebürtige Italienerin und kommt regelmäßig zu Besuch. Ihre Schönheit und ihr Selbstbewusstsein bringt alle in diesem Roman vorkommenden Männer um den Verstand. Als aber eines Tages ihr Mann aus Frankreich angereist kommt, wird er noch am gleichen Abend durch einen Schierlingstrunk umgebracht.

Warum reiste der Ermordete nach Rom?

Da der Bruder des Toten in hohen politischen Kreisen verkehrt, soll ein Gesandter verhindern, dass Details an die Öffentlichkeit gelangen und zusammen mit der italienischen Polizei den Fall in aller Stille klären. Schnell wird der offenbare Grund für den Italienbesuch entdeckt: eine Zeichnung aus den Beständen der vatikanischen Bibliothek ist in Paris zum Verkauf angeboten worden. Leiter der Bibliothek ist ein Bischof, der irrsinniger weise ein Jugendfreund der Frau des Toten ist. Somit schließt sich ein Kreis, denn auch die drei kaiserlichen Studenten haben täglich Zugang zu der Bibliothek gehabt. Vielleicht könnte der Mann aber auch nur nach Rom gereist sein, um sich die Ausgaben und Studienfortschritte seines werten Herren Sohnes mal unter die Lupe zu nehmen, was ganz andere Schlussfolgerungen nach sich zöge. Oder aber vielleicht wollte er sich vergewissern, mit wem sich seine Frau immer in Rom traf, eventuell hatte sie hier eine Affäre...

Hölzern und gestelzt sind die Dialoge, die diesen Roman ausmachen. Unmittelbare Lesefreude oder gar Feuer der Begeisterung kann der Erzählstil von Fred Vargas in diesem frühen Werk nicht entfachen. Ein schwieriger Auftakt wird gefolgt von dem zu diesem Zeitpunkt überraschenden Mord (was ein deutlicher Pluspunkt an diesem Roman ist) und dem daran anschließenden, relativ unmotivierten Vorgehen zweier uneiniger Ermittler.

Vargas und ihr Hang zu skurrilen Charakteren

Die ungewöhnlichen Charaktere hingegen wissen zu gefallen. Die drei "Kaiser", die sich mehr Wein, Weib und Gesang als ihren Studien hingeben, sind eine erste originelle Idee. Der Bischof, der in vielerlei Hinsicht allzu weltliche Aufgaben wahrnimmt, ist eine weitere starke Figur. In der Entwicklung anderer Charaktere fehlt Vargas jedoch noch der Feinschliff. Erstaunlich, warum der französische Ermittler plötzlich doch noch Antrieb findet, um weiter zu forschen. Und weswegen die durchweg blasse Laura, Witwe des Ermordeten, allen Männern derart den Kopf verdreht, muss sich wohl in erster Linie auf optischen Reizen begründen, die den Lesern des Romans verborgen bleiben.

Trotz gerade mal knapp 200 Seiten Umfang hat Vargas' Roman einige Längen aufzubieten. Die unterschiedlichen Mordmotive hätten klarer herausgearbeitet werden können, verlieren sich so mitunter in den betont kunstvoll gestalteten Mono- und Dialogen. Überraschungen und Wendungen bleiben weitgehend im Schatten des Palazzo Farnese verborgen. Hätte die Autorin hier noch ein wenig mehr investiert, wäre eventuell ein besserer Gesamteindruck entstanden. Einzig die skurrilen Figuren machen noch keinen guten Roman.

Im Schatten des Palazzo Farnese

Fred Vargas, Aufbau

Im Schatten des Palazzo Farnese

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Im Schatten des Palazzo Farnese«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren