Das Haus am Gordon Place
- Limes
- Erschienen: März 2024
- 3
Spannender Mix aus Fakten und Fiktion.
Karina Urbach ist promovierte Historikerin und Autorin. Sie gilt u.a. als Expertin für das britische Königshaus. Wenn Dokumentationen oder royale Großereignisse anstehen, wird sie oft als Beraterin hinzugezogen. Ein weiteres ihrer Fachgebiete ist die Geschichte der Geheimdienste, was vielleicht auf Urbachs Vaters zurückgeht, der nach dem 2. Weltkrieg, durch eine Scheinidentität getarnt, Spion der USA in Deutschland war. Karina Urbach hat zahlreiche viel beachtete und ausgezeichnete Fachbücher geschrieben, bevor 2019 ihr erstes belletristisches Werk herauskam. In „Cambridge 5. Zeit der Verräter“ befasst sie sich mit 5 Studenten, die sich in den 1930er Jahren vom russischen Geheimdienst rekrutieren ließen und führt gleichzeitig ihren Protagonisten, den Geschichtsprofessor Hunt ein, der auch in dem jetzt vorliegenden zweiten Band der Reihe aktiv wird.
Ein Mord am Gordon Place
Professor Hunt kann es nicht fassen – ausgerechnet in seiner Wohnung am Gordon Place in London ist ein Mord geschehen. Sein unscheinbarer Nachbar Gerald Fraser wurde erschlagen aufgefunden, neben einem aufgestemmten Loch in der Wohnzimmerwand. Hunt kommt bald einer alten Geschichte auf die Spur, die mit Daphne Parsons zusammenhängt, die nicht nur eine Legende in Spionagekreisen war, sondern auch Vorbesitzerin seiner Wohnung. Seine Suche nach dem Mörder führt ihn in das Wien kurz nach dem 2. Weltkrieg.
„Basierend auf wahren Begebenheiten“
Karina Urbach hat geschickt Fakten und Fiktion verbunden. Die Figuren und auch die historischen Hintergründe basieren auf tatsächlichen Personen und der äußerst interessanten Geschichte Wiens nach Ende des 2. Weltkrieges. Die Stadt war in Sektoren eingeteilt und die Angst, dass Wien wie Berlin enden könnte, war groß. Ein Abhörtunnel der Briten unter dem sowjetischen Sektor ist eine Tatsache, die Urbach für ihren Krimi nutzt. Aus der Tätigkeit von Daphne und ihren Kolleginnen und Kollegen spinnt sie eine Geschichte, die ebenso spannend wie lehrreich ist. Eine unglaubliche Aktion bringt 1948 nicht nur die Spione in Gefahr, sondern hat auch für andere Konsequenzen, die sich bis ins Jahr 2024 in London auswirken.
Karina Urbach hat eindeutig die richtige Mischung gefunden, bringt erstaunliche Fakten zum Vorschein und verarbeitet geschickt Zeitgeschehen. Von Anfang an spannend, entführt sie auf zwei Zeitebenen nach Wien 1948 und nach London 2024. In manchen Passagen wirkt die Geschichte vielleicht etwas konstruiert, doch kann man über diese kleinen Mängel durchaus hinwegsehen, denn „Das Haus am Gordon Place“ ist packend und wartet mit einigen Wendungen auf. Es ist sehr erfreulich, dass, trotz des umfangreichen Wissens der Autorin, kein Info Dump stattfindet oder die Ausführungen eher einer Belehrung ähneln als einem Krimi. Außerdem braucht man den ersten Band der Serie nicht unbedingt zu kennen, denn die Handlung steht für sich und Hunt wird ausreichend eingeführt.
Hervorragende Figurenzeichnung
Der emeritierte Geschichtsprofessor Hunt ist der Historikerin Urbach bestens gelungen. Ausreichend schrullig und neugierig, stürzt er sich in diesen Fall. Der Charakter hat so einige Facetten. Manchmal erscheint er ein wenig weltfremd, bloß um dann wieder gestochen scharfe Schlussfolgerungen zu ziehen. Das kann man auch als Klischee ansehen, doch ist Hunt so gut porträtiert, dass das nicht ins Gewicht fällt. Auch die anderen Figuren haben so ihre ganz typischen Macken – vom gescheiterten Finanzgenie, das im Dachgeschoss haust über die nicht zu durchschauende MI 5-Agentin bis hin zur überspannten Zwillingsmutter, die so typisch Oberschicht ist. Doch alle sind so gelungen gezeichnet, dass man der Autorin die Charaktere abnimmt. Richtig packend wird es, wenn klar wird, dass alle in einer Beziehung zu ehemaligen Spionen stehen, die 1948 in Wien tätig waren und danach gemeinschaftlich das Haus am Gordon Place bewohnten.
Fazit
Ein gelungener 2. Band der Professor-Hunt-Serie. Informativ und äußerst spannend verbindet Karina Urbach historische Fakten und Fiktion und sorgt damit für ein wahres Highlight in Sachen Krimi.
Karina Urbach, Limes
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