Das Waldhaus
- Goldmann
- Erschienen: März 2024
- 11
Interessant sind höchstens die Figuren.
Nach ihrer Ausbildung zur klassischen Tänzerin, arbeitete Liz Webb in sehr unterschiedlichen Tätigkeiten, darunter auch als Drehbuchautorin und Hörspielproduzentin. Mit „Das Waldhaus“ ist sie nun auch unter die Romanschreiber gegangen. Doch leider konnte ihr Debüt mich nicht so recht überzeugen.
Hannah sucht die Wahrheit
Vor 23 Jahren verlor die 14-jährige Hannah ihre Mutter durch ebenso brutale wie mysteriöse Umstände. Jetzt ist ihr Vater an Demenz erkrankt und aufgrund unkontrollierter Äußerungen von ihm, muss sie den Gedanken zulassen, dass doch er ihre Mutter ermordet hat. Etwas, das sie die ganzen Jahre immer von sich geschoben hat. Um ihn in die Vergangenheit zurückzuversetzen und um die Wahrheit zu erfahren, schlüpft Hannah in die Gestalt ihrer Mutter. Was anfangs wie ein guter Plan anläuft, wird bald zum zweischneidigen Schwert, das Hannah und ihren Vater in Gefahr bringt.
Warum „Das Waldhaus“?
Warum nur wurde wieder einmal ein sehr treffender Originaltitel nicht für die deutsche Ausgabe übernommen? Sicher, der nahegelegene Wald zu Hannahs Elternhaus spielt eine gewisse Rolle im Geschehen, doch der englische Titel „The Daughter“ ist wesentlich passender. Die ganze Geschichte wird immerhin aus Hannahs Sicht in Ich-Perspektive und dazu im Präsens erzählt. Letzteres ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch Ersteres unterstreicht die persönliche Relevanz der Suche nach der Wahrheit für Hannah, der alles übergeordneten Protagonistin - „The Daughter“ ist also ein überaus treffender Titel. Leider bedeutet die Ich-Perspektive für die Geschichte aber auch eine sehr eingeschränkte Sicht auf die Dinge. Was andere Personen denken, ist nur durch ihre Handlungen zu erahnen und selbst Hannah gibt nur so viel preis, wie sie für richtig hält.
Die Figuren können punkten …
Die Frage nach dem Mörder von Hannahs Mutter, Jen, sollte eigentlich der Mittelpunkt für die zu generierende Spannung sein - ist sie aber leider nicht. Wer Jen nun tatsächlich auf dem Gewissen hat, wird spätestens nach der dritten Verdächtigung durch Hannah relativ irrelevant, fast langweilig, denn jeder kommt einmal in diesen zweifelhaften Genuss. Sogar Hannah selbst ist sich zwischenzeitlich nicht mehr ganz sicher, was sie alles auf dem Kerbholz hat. Spannend sind jedoch die Figuren, denn sie entblättern sich allesamt nach dem Zwiebelprinzip immer mehr. Zwar löst kein einziger Charakter wirklich Empathie aus, im Gegenteil, doch sind sie in ihrer Darstellung nie absolut, immer wieder kommt ein Detail der Vergangenheit zutage, das sie in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Hier liegt die Stärke des Thrillers, der aber ansonsten wenig Überzeugendes zu bieten hat.
… Plot und Stil weniger
Eigentlich ist die Grundidee nicht schlecht – ein brutaler Tod, der auch nach vielen Jahren noch Rätsel aufgibt. Doch es zeigt sich wieder einmal, dass ein spannender Thriller auch bei gutem Thema kein Selbstläufer ist. Liz Webb taumelt von einer unlogischen Situation in die nächste. Das kann man beim Lesen vielleicht noch einigermaßen ausblenden, doch schon da fällt es schwer. Lässt man den Plot nach der Lektüre noch einmal Revue passieren, werden die Mängel noch offensichtlicher. Hannahs Aktionen sind teilweise so unrealistisch, dass man es fast nicht fassen kann. Und wenn z.B. ein Messer, tief in die Brust gerammt als „unbekannte Todesursache“ bezeichnet wird und Kleidung nach 23 Jahren immer noch taufrisch zu sein scheint, ist bei mir einfach nur Kopfschütteln angesagt. Der Schluss inklusive Auflösung setzt dem Ganzen dann die Krone auf, was die Unglaubwürdigkeit betrifft. Leider kann auch der Schreibstil nichts ausgleichend Positives bieten. Oft vermisst man weniger umgangssprachlich gehaltene Dialoge oder Gedanken, bloß um sich dann wieder mit allzu Schriftsprachlichem konfrontiert zu sehen.
Ein absoluter Spannungskiller aber sind die ständigen Wiederholungen. Spätestens nach der dritten Erwähnung weiß wirklich Jeder, dass Hannah Alkoholikerin ist und sehr viel Gewicht verloren hat, was zu einer scheinbaren Traumfigur in einem aber völlig desolaten Körper führt. Dennoch bekommt man bis zum Schluss diese beiden Tatsachen immer wieder vorgekaut. Die dazugehörigen Abstürze werden dafür umso plastischer geschildert, was aber auch nicht gerade ein Highlight ist.
Fazit
Ein an sich spannendes Thema wurde in einen unlogischen und stilistisch mangelhaften Plot gepackt. Lediglich die Figurenentwicklung scheint mir bei dem Debüt von Liz Webb relativ gelungen. Ein Buch, das man lesen kann, das aber meiner Meinung nach zeigt, dass das Talent ein gutes Buch zu schreiben, nicht Jedem oder Jeder einfach in den Schoss fällt, sondern echtes Handwerk ist.
Liz Webb, Goldmann
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