Ein gelungenes Thriller-Debüt.
Roland Muller ist vom „Arktis-Virus“ befallen. Die kalten Weiten in Schnee und Eis kurz vor dem Nordpol faszinieren ihn schon lange. Jetzt hat er Grönland zum Setting für seinen ersten Thriller auserkoren, der neben einer spannenden Handlung auch einen tiefen Einblick in örtliche Probleme zeigt.
Mord im Tagebau
Schon seit einiger Zeit häufen sich die Angriffe auf die Tagebaumine des Kvanefjeld-Plateaus im Süden Grönlands. Doch jetzt wurden zwei Männer grausam ermordet aufgefunden, was Ermittlungen der Polizei nötig macht. Das ist die Möglichkeit für die Polizeidirektorin in Aarhus, den in die Schlagzeilen geratenen und allgemein nicht sehr beliebten Kriminalpolizisten John Kaunak loszuwerden. Er soll als Sicherheitsdirektor undercover in der Mine ermitteln. Vor Ort merkt John, dass es mehr als ein Problem gibt. Nicht nur in der Mine selbst rumort es, er muss sich auch mit Umweltaktivisten, Separatisten und fremden Begehrlichkeiten auseinandersetzen. Er macht sich nicht nur Freunde und dann ist sein Leben auf einmal in großer Gefahr.
Thriller mit Tiefgang
Die Thrillerhandlung selbst ist gut gelungen, auch wenn sie etwas vorhersehbar und manchmal zu pauschal ist. Die Mörder und auch die Verursacher diverser Anschläge auf die Mine werden gesucht. Die üblichen Verdächtigen tauchen auf, was in diesem Fall aber nicht abwegig ist, da genau diese Gruppen tatsächlich großen Einfluss auf Grönlands Gegenwart nehmen wollen. Seit das Eis immer mehr zurückgeht, werden Begehrlichkeiten hinsichtlich der vorhandenen Rohstoffe geweckt, deren Abbau äußerst lukrativ ist. Nur leider nicht für die einheimische Bevölkerung. Und nicht nur deshalb wollen viele Indigene die Unabhängigkeit von Dänemark, um damit ihr Schicksal und das ihrer Insel selbst in die Hand zu nehmen. Das alles packt Muller in seine Handlung hinein und übt damit gleich auch noch ausreichend Kritik an geopolitischen, ökologischen und gesellschaftlichen Missständen.
John Kaunak – der Neue in Narsaq
Muller setzt das „arktische“ Kopfkino in Gang. Wer schon einmal in der Arktis war, weiß was ich meine: Eisschollen und Eisberge, die unglaubliche Einsamkeit, die Stille gepaart mit immerwährender Dunkelheit im Winter und ständiger Sonne im Sommer, aber auch die sichtbare Hoffnungslosigkeit vieler Inuit. Das alles weiß der Autor gut zu vermitteln und es gleichzeitig in einen fesselnden Thriller zu packen. Zwar braucht die Handlung etwas, bevor sie an Fahrt aufnimmt, doch dann hält die Spannung bis zu Schluss.
Kaunak, selbst halb Inuk, muss sich mit den großen Global-Playern anlegen und setzt dabei sein Leben aufs Spiel. Dabei erfährt die Leserschaft auch einiges über das Leben der Inuit, ihre Mythologie und auch ihren Speiseplan! Und selbst das Zwischenmenschliche kommt mit der Inuk Aka ins Spiel. Muller hat wirklich ganze Arbeit bei der Recherche geleistet. Allerdings hat er bei der Anrede ein bisschen zu „Deutsch“ gedacht, denn in ganz Skandinavien und überhaupt im hohen Norden, wird jeder, mit Ausnahme der königlichen Familien, mit „Du“ angesprochen. Doch das ist nur ein kleiner Kritikpunkt, denn ansonsten freue ich mich schon auf eine Fortsetzung mit John Kaunak.
Fazit
Ein gelungenes Debüt und ein guter Einstieg in eine neue Serie. Nicht nur alle mit dem „Arktis-Virus“ Infizierte werden Gefallen an „Eisrausch“ finden. Auch alle, die gerne einen packenden Thriller, gepaart mit tatsächlichen Problemen unserer Gegenwart lesen, kommen hier auf ihre Kosten. Und Roland Muller hat einen Nachschlag in Sachen John Kaunak angekündigt! Da kommt, zumindest bei mir, schon Vorfreude auf.
Roland Muller, Aufbau
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