Agentenroman mit pornographischem Einschlag.
Im Herbst 1945 werden in Berlin zwei Manuskripte gefunden, die beide das Leben eines irischen Spions in Deutschland erzählen. Das eine ist von diesem, Proinssias Pike, selbst verfasst, das andere von seinem deutschen Führungsoffizier Adrian de Groot. Obwohl beide das Gleiche erzählen, geben sie es doch in zwei völlig anderen Fassungen wieder. Nach de Groots Erzählung wurde der Fenier Pike aus einem spanischen Gefängnis geholt, wo er als Kämpfer gegen Franko einsaß, um bei der geplanten deutschen Invasion in Großbritannien zu helfen. Nach Pikes Tagebuch wurde er zwar aus diesem Grund nach Berlin geholt, war aber gleichzeitig Agent für die Briten, die sich von ihm Infiltration und neue Erkenntnisse erhofften.
Nach wahren Begebenheiten
Anders als der Name vermuten lässt, ist Peter Mann Amerikaner. Neben seiner Lehrtätigkeit als Dozent für Literatur und Geschichte, zeichnet er auch einen Online-Comic. Für sein Roman-Debüt hat er sich einen historischen Hintergrund im doppelten Sinn gesucht: Die Zeit während des 2. Weltkrieges und kurz danach und ein Leben, das es so (fast) gegeben hat. Mann recherchierte in den britischen National Archives, las militärische Akten und Verhörprotokolle und fand schließlich Frank Ryan, der 1940 vom deutschen Geheimdienst angeworben wurde, um irische Operationen im Zusammenhang mit der Invasion auf britischem Boden zu planen – und Proinssias Pike war geboren. Dessen Leben war eigentlich eine Steilvorlage für einen spannenden Agententhriller, doch Mann hat leider jede Menge Potential verschenkt.
Keine Spannung, aber viel Pornographie
Die ersten Seiten machen neugierig, was es mit diesem Proinssias Pike auf sich hat. Wenn dieser dann selbst anfängt zu erzählen, fragt man sich erst recht, was noch kommt. Doch die Ernüchterung folgt fast auf den Fuß. Die Geschichte wird verworren und manchmal sehr unrealistisch. Auf Spannung wartet man vergeblich, alles plätschert eher vor sich hin – und das über viele Jahre und viele Buchseiten. Das alles könnte ich noch verdauen, aber die unverhohlene sexuelle Gewalt und die ständig auftauchenden pornographischen Szenen nicht. Viele Anspielungen sind zudem unnötig vulgär und machen aus dem sowieso schon wenig fesselnden Agenten- Roman einen unangenehm zu lesenden seichten Abklatsch. Lediglich die Wendungen zum Schluss können überzeugen – wenn man bis dahin überhaupt gekommen ist.
„In den Eingeweiden Teutoniens“
De Groots Bericht ist in einem erzählenden Ton abgefasst, der ihn unspektakulär aber leicht zu lesen macht. Pikes Aufzeichnungen hingegen sind verworrener. Es ist nicht klar, ob Pike sein Tagebuch in Englisch oder in seinem eher rudimentären Deutsch abgefasst hat. Manche Begriffe, die Mann dem Agenten in den Mund legt, lassen eher Zweites annehmen. Immer wieder ist von „Teutonien“, dem „Verzerrten“, “Bretonesen“ und „Angelländer“ zu lesen. Gleichzeitig kann die Ausdrucksweise auch sehr schwülstig sein und durchaus Ersteres vermuten lassen:
„Die Fortsetzung der Großtaten von Finn McCool – Untertan des Taoiseach von Erin und exilierter Kommandant der Fenier. Finn, der Männer durch die Marschen von Erin und das leichenübersäte Tal des Ebros gejagt hat, war in dem Augenblick, in dem wir ihm begegnen, auf der Spur seiner Beute in den Eingeweiden Teutoniens“.
Gleichzeitig werden immer wieder Anspielungen auf die irische Mythologie und Geschichte gemacht, die bei der Leserschaft gewisse Vorkenntnisse voraussetzen, will man diese verstehen. Vermutlich wollte Mann durch diese ungewöhnliche Ausdrucksweise den menschlichen Unterschied zwischen dem Deutschen de Groot und dem irischen Pike unterstreichen, die vordergründig am gleichen Strang ziehen und dennoch so gänzlich anders sind. Angenehmer macht es die Lektüre allerdings deswegen nicht.
Fazit
Ein Debüt, das einen spannenden Agenten-Thriller verspricht und einen unspektakulären, verworrenen und pornographisch durchsetzten Roman abliefert. Peter Mann kann mich mit „Der Ire“ nicht überzeugen, auch wenn der Schluss zeigt, dass der Autor mehr kann, als er auf den 400 vorhergehenden Seiten gezeigt hat.
Peter Mann, Suhrkamp
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