Flucht und Heimat
Vertreibung, Flucht und Heimat. Katrine Engberg wagt sich gerade zu einer Zeit, in der militärische Konflikte die Nachrichten beherrschen, an eine sensible Thematik heran. Dabei ist „Glutspur“ kein politischer Krimi. Die Autorin sagt selbst, dass sie mal „etwas Persönlicheres“ schreiben wollte. Alle drei Hauptfiguren in diesem Buch fliehen vor etwas. Meistens aus Angst, die Vergangenheit könnte sie einholen. Und plötzlich bekommt der Krimi auch noch einen historischen Aufhänger. In welcher Zeit dieser spielt, verrate ich nicht. Nur soviel: Es geht um ein dunkles Kapitel der dänischen Geschichte.
Ein Puzzlespiel beginnt
Der Selbstmord eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und der Mord an einem Journalisten, diese drei Todesfälle hängen zusammen und alle haben ihre eigene Geschichte. Es treffen auch drei Menschen aufeinander: Da ist zum einen Liv Jensen, ehemalige Polizistin, hat sich als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht. Sie bekommt den Auftrag, Gemeinsamkeiten zwischen den drei Todesfällen zu finden. Sie ist besonders motiviert, denn bei guter Arbeit könnte dies ihren Wiedereintritt in den Polizeidienst bedeuten. Dann gibt es noch Hannah Leon ist Krisenpsychologin und hat vor Kurzem einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Und schließlich, als letztes, ist da noch Nima Ansari, ein iranischer Automechaniker, der schnell unter Mordverdacht gerät.
„Sie begriff. Endlich begriff sie, wie alles zusammenhing. Die Spielsteine ergaben eins nach dem anderen ein Muster, von dem ihr schwindelig wurde.“
Der Krimi baut kontinuierliche eine düstere und geradezu nebulöse Stimmung auf, die jeden Moment zu explodieren droht. Mit jedem Kapitel wechselt die Perspektive, mal betrachten wir das Geschehen aus der Sicht von Liv, dann wieder von Hannah oder Nima. Dies schafft die nötige Abwechslung. Besonders macht diesen Krimi, dass die Ermittlungsarbeit stetig auch von privaten Problemen der ProtagonistInnen flankiert wird. Sei es Hannah, die den Suizid ihres Bruders zu verarbeiten und aufzuklären versucht, oder Nima, der sich als Flüchtling aus dem Iran immer wieder Vorurteilen ausgesetzt sieht.
„Liv sah ihr eigenes Gesicht im Glas und zog den Hotelbademantel fester um sich. Hinter ihr lagen geschlossene Türen und vor ihr Ungewissheit und halbherzige Pläne. Wenn man seine Träume verliert, verblasst das Leben zu nichts.“
Wie gehen Menschen mit ihrer schmerzhaften Vergangenheit um? Das ist die zentrale Frage, die sich durch dieses Buch zieht. Katrine Engberg entwirft eine Welt voller Angst und Selbstzweifel, aber auch mit dem Mut und dem Willen des Menschen, zu überleben und sich in schwierigen Zeiten einen kleinen Kokon aus Heimat und familiärer Geborgenheit zu schaffen. Mit ihrem einwandfreien Stil und ihrer Plot - Gestaltung zieht Engberg alle Register für ein einzigartiges Leseerlebnis.
Fazit
Mal wieder ein dänischer Krimi der Extraklasse und ein wunderbarer Reihenauftakt. Glutspur ist ein Buch, das einem noch lange im Kopf bleiben wird. Tiefgründig, spannungsgeladen, bewegend und düster – für Liebhaber von nordischen Krimis ein Muss. Wer dieses Buch aufschlägt, wird vermutlich alles Andere erstmal hintenanstellen.
Katrine Engberg, Piper
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