Eine ausgebremste Geschichte
Im Meer vor Helsinki befinden sich zahlreiche Inseln. Auf einer von ihnen wird ein junger Mann tot aufgefunden. Er liegt, wie aufgebahrt, unter einem Baum, auf der Brust einen Stängel Fingerhut. Als klar ist, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt, beginnen Kommissar Jan Leino und sein Team zu ermitteln. Als jemand aus dem Umfeld des Getöteten spurlos verschwindet, schaltet sich auch Sanaa Havas ein, die mit einem True-Crime-Podcast helfen möchte. Dann taucht ein zweiter Toter auf und die Frage, wer hier mordet, wird immer komplizierter.
Eine wahre Naturliebhaberin
„Dunkelstrom“ ist der zweite Teil der Sanna-Havas-Reihe, in den man auch ohne Kenntnis des ersten Teils „Brandmal“ einsteigen kann. Für Medienspezialistin und Autorin Elina Backman sind Bücher „ihre wahre“ Leidenschaft, doch mindestens ebenso sehr scheint sie die Natur rund um Helsinki zu lieben. „Die Helsinkier Insel Lammassaari mit ihrer Umgebung ist einer meiner liebsten Orte auf der ganzen Welt“ schreibt sie in ihrer Danksagung im Buch und das merkt man auch während des Lesens – manchmal allzu deutlich.
Nebensächlichkeiten bremsen die Spannung aus
Immer wieder ergeht sich Backman in endlosen Beschreibungen der Natur. Das kann Atmosphäre transportieren, aber im Übermaß eben auch langweilig werden. Man muss nicht unbedingt ständig über wogendes Schilfgras, stille Wälder oder einsame kleine Buchten lesen, um das Setting zu begreifen. Von einem Thriller erwartet man vor allem eins – Spannung. Die köchelt aber während der ganzen Geschichte auf niedriger Sparflamme. Der Funke will einfach nicht überspringen. Das mag vielleicht zusätzlich auch an den teilweise sehr kurzen Kapiteln liegen, welche jeweils eine Hauptfigur zum Mittelpunkt hat. Man wird so von einem zum anderen weitergereicht, was eine gewisse Kontinuität in der Erzählung missen lässt. Viele der Kapitel sind zudem völlig überflüssig. Sie treiben die Handlung nicht voran, kauen auf belanglosen Nebensächlichkeiten herum und können auch deshalb nicht an die Geschichte fesseln. Manchmal hat man den Eindruck, dass Backman das Buch ohne Konzept begonnen hat und ihre Geschichte erst während des Schreibens entwickelt. Aus diesen Gründen kann man „Dunkelstrom“ deshalb kaum als Thriller bezeichnen.
Was für ein Schluss!
Nachdem man sich mühevoll durch fast 500 Seiten gelesen hat, ist dieser Ausruf leider nicht positiv gemeint. Denn was Backman als Lösung präsentiert, ist einfach nur dürftig und erscheint doch ziemlich zusammengeschustert. Auch hier kann man sich einfach nicht des Gedankens erwehren, dass ein Konzept mit einem in sich schlüssigen Plot, einem gut dosierten Spannungsaufbau und eben auch einem logischen Schluss gefehlt hat. Was die Handlung noch einigermaßen hätte tragen können, wären gut geformte Figuren gewesen, die vielleicht sogar einige Sympathiepunkte einfahren könnten. Doch das schaffen Saana, Jan und Co. leider auch nicht. Sie bleiben alle relativ farblos, ohne wirkliche Tiefe und damit ohne einen typischen Charakter, der die Leserschaft ansprechen könnte.
Fazit
Definitiv kein Thriller! Mit zu vielen Längen und wenig interessanten Charakteren kann diese Geschichte kaum fesseln und hebt sich durch nichts aus dem Mittelmaß der Spannungsliteratur heraus. Das können andere skandinavische Autorinnen und Autoren definitiv besser. Vielleicht bekommt Elina Backman in der eventuellen Fortsetzung der Reihe aber noch die Kurve - zu wünschen wäre es, denn Helsinki ist durchaus einen spannenden Thriller wert.
Elina Backman, Piper
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