Der letzte Wolf

  • Ars vivendi
  • Erschienen: Oktober 2023
  • 0
Der letzte Wolf
Der letzte Wolf
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Sabine Bongenberg
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2024

Thriller und Gesellschaftskritik - spannend verbunden.

Titus Crown hatte einmal hochfliegende Pläne. Dazu gehörte sein Job beim FBI und ganz bestimmt auch, dass es ihm gelang, der miefigen Kleinstadt Charon, in der er geboren wurde und aufwuchs, den Rücken zu kehren. Aber jetzt haben sich die Dinge geändert: Crown lebt wieder in Charon und ist hier der erste schwarze Sheriff der Countygeschichte. Hier schlägt er sich sicher nicht mit den großen, wichtigen Fällen herum, wie sie im "Bureau" an der Tagesordnung waren. Aber auch hier stellen sich viele Fragen. Eine ist zum Beispiel die, warum es fast unmöglich ist, einigen - natürlich weißen - Unternehmern offensichtliche Gesetzesverstöße nachzuweisen. Dennoch hat der erste schwarze Sheriff von Charon sein Leben im Griff. Bis zu dem Tag, an dem er zur örtlichen Highschool gerufen wird, weil hier ein junger Schwarzer den beliebtesten Lehrer der Schule erschossen hat und möglicherweise ein Amoklauf droht. Hilflos muss Crown mit ansehen, wie seine Kollegen auch den Täter erschießen. Aber aus alter Gewohnheit sucht er auch nach den Hintergründen und stellt schier Unglaubliches fest: In der heimeligen Kleinstadt ist offensichtlich ein Serienkiller am Werk, der es auf schwarze Jugendliche absehen hat und der mit den beiden Todesopfern verstrickt war.

Cosbys klassische "Helden" mit ihren verzweifelten Balanceakten

S.A. Cosby hat es wieder auf Barack Obamas begehrte "Summer-Reading-List" geschafft. Dennoch fragen wir uns: Muss das, was dem Altpräsidenten gefällt, auch in Europa gut ankommen? Aber keine Sorge - ja, es funktioniert. Der US-amerikanische Autor legte 2021 einen fulminanten Start mit dem Roman "Blacktop Wasteland" hin. Seitdem hat er vier weitere Romane präsentiert und obwohl das eine hohe Schlagzahl darstellt, ist von Langeweile oder Abnutzung nichts zu merken. Cosbys Helden sind rückfällige Straftäter, Väter, deren homosexuelle Söhne ermordet wurden oder Angestellte in einem Bestattungsunternehmen und damit nicht gerade Amerikas typische Helden. Jetzt betritt er mit Titus Crown, einem aus dem Dienst ausgeschiedenen FBI-Ermittler, der einem Serientäter auf die Spur kommt, ein neues Feld. S.A. Cosby beweist damit ein weiteres Mal, dass er mit diesem Output ein hart arbeitendet Mann ist und dass er sich offensichtlich auf jedem Parkett zurecht findet.

Titus Crown ist wieder einer der untypischen Helden. Einer, der  mit dem Zahnpastalächeln eines Tom Cruise nichts gemein hat - um einmal bei einem berühmten Beispiel zu bleiben. Crowns Familiengeschichte hat Ecken und Kanten und Probleme mit Alkohol und wenn er ganz ehrlich ist, ist er über seine letzte Freundin nie so ganz hinweg gekommen. Auch im Job läuft vieles unrund und auch, wenn sein Vater mehr als stolz darüber ist, dass er der erste schwarze Sheriff von Charon ist, so ist das ein schwieriger Balanceakt: Den Weißen gehen seine Ermittlungen und seine Arbeit zu weit; die Schwarzen fühlen sich von ihm in Stich gelassen, macht er doch in ihren Augen zu wenig. Crown wird schon in seinem Alltag regelmäßig in einen schmerzhaften Spagat gezwungen und damit aufgerieben. Dabei hat sein neuer Fall noch nicht einmal begonnen.

Der alltägliche Rassismus und ein gut erzählter Thriller

Crown muss abseits von den täglichen Nickligkeiten und rassistischen Gemeinheiten zeigen, was er beim FBI gelernt hat. Im Zuge der Ermittlungen um einen vermeintlichen Amokläufer kommt er einem Serientäter auf die Spur und stellt desillusioniert fest, dass in den Südstaaten das Interesse an schwarzen Kindern, die plötzlich verschwinden, offensichtlich noch immer nicht allzu groß ist. Oder vielmehr nicht allzu groß WAR, denn mit Crowns Ermittlungen ändern sich die Dinge. Hier wird ein spannender Krimi präsentiert, der nach freilich nach Cosbys Arbeitsweise auch wieder zeigt, dass  Täter zu den Opfern der Gesellschaft gehören können. Auch wenn sie dingfest gemacht werden müssen.

Neben diesen Ermittlungen, die für meinen Geschmack manchmal zu schnell oder zu glatt laufen, ist Cosbys eigentliches Thema allerdings der stets präsente Rassismus in den Südstaaten. Der zeigt sich nicht nur in alltäglichen kleinen Bemerkungen, sondern auch in den größeren Delikten, die bei der entsprechenden Klientel, mit schöner Regelmäßigkeit unter den Teppich gekehrt werden. Schmerzhaft erkennt der Leser mit dem ermittelnden Sheriff, dass der Verrat selbst in eine gute Truppe einziehen kann. Es ist nicht einfach ein Krimi, der hier erzählt wird, sondern ein Sittengemälde der amerikanischen Südstaaten.

Fazit

Ein hart arbeitender Sheriff wird zwischen verschiedenen Fronten aufgerieben und muss sich dazu dem immerwährenden, alltäglichen  Rassismus widersetzen. Zusammen mit einem gut erzählten - manchmal vielleicht etwas zu glattem - Thriller macht das eine spannende Erzählung und vermittelt ein lebendigs Gefühl des amerikanischen Südens.

Der letzte Wolf

S. A. Cosby, Ars vivendi

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