Melody

  • Diogenes
  • Erschienen: März 2023
  • 2
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Carola Krauße-Reim
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2023

Was geschah mit Melody?

Martin Suter muss man eigentlich nicht mehr vorstellen. Der ehemalige Werbetexter und Creative Director hat sich zum erfolgreichsten Schriftsteller der Schweiz entwickelt, der durch seinen eloquenten und  gewandten Schreibstil begeistert. Krimifans dürfte er vor allem durch Johann Friedrich von Allmen, seinen „Pleitedandy, Kunstkenner und Amateurdetektiv“ bekannt sein, der seit einigen Jahren auch im Fernsehen ermittelt. Jetzt hat Suter wieder einen Standalone geschrieben, in dem es auch ein Rätsel zu lösen gilt und, der uns abermals in die Welt der Reichen im mondänen Zürich entführt.

Ein Nachlass muss gesichtet werden

Der junge Tom Elmer tritt seine erste Anstellung als Anwalt an: In einer Villa am Zürichberg soll er den Nachlass von Dr. Stotz sichten und ordnen. Stotz ist als erfolgreicher Ökonom und Alt-Nationalrat eine bekannte Persönlichkeit in der Schweiz. Er erzählt Elmer von Melody, seiner Verlobten, die damals nur wenige Tage vor der Hochzeit spurlos verschwand. Umgeben von Devotionalien der jungen Frau erfährt Tom auch von der erfolglosen Suche nach Melody, die Stotz bis heute beschäftigt. Doch bald findet Tom Widersprüche in den Schilderungen der Vergangenheit, denen er mit Laura, Stotz‘ Großnichte nachgeht. Schnell stellt sich beiden die Frage, ob Stotz wirklich der Mensch war, der er vorgab zu sein.

Kein klassischer Krimi

„Melody“ ist kein Krimi im klassischen Sinn. Es ist ein Roman, der ein Rätsel birgt, das es zu lösen gilt. Im Vordergrund steht das Verschwinden und die Suche nach Melody, was beides aber nicht unbedingt so gewesen sein muss, wie Stotz es erzählt. Der will ein ideales Bild von sich für die Nachwelt konservieren, das es immer mehr zu hinterfragen gilt. Im Laufe der Geschichte kommt es immer wieder zu unvorhergesehenen Wendungen, die scheinbare Tatsachen revidieren und völlig neue Perspektiven eröffnen. Doch das Geschehen nimmt erst langsam an Fahrt auf, denn zuerst müssen die Figuren vorgestellt und ihre Charaktere herausgearbeitet werden. Doch dann fesselt es und die Spannung hält bis zum Schluss an, der selbst in einem völlig überraschenden Ende mündet.

Fast ein märchenhaftes Kammerstück

Es gibt nur wenige zentrale Figuren im Roman, die ihn fast wie ein Kammerstück erscheinen lassen. Stotz erzählt, Tom Elmer hört zu, Mariella kocht, Roberto bedient und Laura schneit ab und zu herein. Und es gibt natürlich Melody, die ihn Rückblenden die begeisterte Buchhändlerin mit problematischer Familie gibt, die gerne stickt und zur verschwundenen Verlobten des wesentlich älteren Stotz wird. Suter hat sie alle interessant konzipiert und bleibt dennoch in Klischees hängen. Den Charakteren fehlt die Tiefe, auch wenn Tom durch seine Zweifel eine Dimension mehr erhält, als der Rest. Lediglich die Figur des Dr. Stotz sieht man langsam in einem anderen Licht, aber das ist ja auch Inhalt des Romans. Doch selbst der Plot erscheint wie ein Märchen, dem der Realitätsbezug etwas abhanden gekommen ist. Wie bei den Gebrüdern Grimm wandelt sich das Leben des armen Studenten auf so wundersame Weise, dass er garantiert keine Geldsorgen mehr hat, in der gehobenen Gesellschaft ankommt und außerdem noch die Liebe gefunden zu haben scheint. Natürlich gibt es auch einen hingebungsvollen Diener, der genauso selbstlos ist, wie die Haushälterin, die zudem hervorragende italienische Gerichte zaubert. Damit wäre auch der Bogen zu Allmen geschlagen, der einem guten Essen von Carlos gekocht und kredenzt ja auch nicht abgeneigt ist. Wie in vielen seiner Werke versteht es Suter aber dennoch packend die Frage nach Wirklichkeit und Fiktion zu stellen, indem er die Selbstdarstellung einer Person hinterfragt und der Gesellschaft mit ihrer scheinbar devoten Verehrung von bekannten Persönlichkeiten den Spiegel vorhält.

Fazit

Ein echter Suter – spannend und mit einem Augenzwinkern wird die Sucht nach der perfekten Selbstdarstellung in den gehobenen Gesellschaft der Schweiz inszeniert. Zwar ist die Frage nach Wirklichkeit und Fiktion etwas zu oberflächlich und klischeehaft aufgearbeitet, doch Spannung ist garantiert und die Suche nach Melody fesselt bis zum unglaublichen Ende.

Melody

Martin Suter, Diogenes

Melody

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