Sommersonnenwende

6. Juni 1994: Eine Hitzewelle hat Schweden fest in ihrem Griff. Kriminalkommissar Tomas Wolf von der Stockholmer Mordkommission ist auf dem Weg zu seinem Bruder, als er zufällig an einem Tatort vorbeikommt. In unmittelbarer Nähe zu einer Flüchtlingsunterkunft wird eine Frauenleiche gefunden. Das Opfer wurde vergewaltigt und anschließend erdrosselt. Wolf kann den Anblick der Toten kaum ertragen, zu sehr erinnert sie ihn an die dunkle Zeit in seiner Vergangenheit, die er am liebsten vergessen würde. Der Kommissar ist erst vor Kurzem als UN-Soldat aus dem Bosnienkrieg zurückgekehrt. Die Bilder seines Auslandsaufenthalts haben ihn schwer traumatisiert. Eigentlich hatte er gehofft, zurück in seiner Heimat und bei seiner Familie wieder etwas Abstand zu gewinnen und zur Ruhe zu kommen. Was Wolf noch nicht weiß: Die getötete junge Frau ist erst der Beginn einer Mordserie, die ganz Schweden erschüttern wird.

Auch die Journalistin Vera Berg ermittelt in der Mordfallserie. Sie hat gerade erst ihren neuen Job in der Hauptstadtredaktion der „Kvällposten“ angetreten und ist gleichzeitig auf der Flucht vor ihrem Ex-Freund Jonny - zusammen mit dessen sechsjährigen Sohn Sigge. Als in der Kleinstadt Falun ein Amoklauf stattfindet, der zahlreiche Opfer fordert, kreuzen sich die Wege von Tomas und Vera. Gemeinsam machen sie Jagd nach dem brutalen Frauenmörder.

Erste Zusammenarbeit der Autoren

„Sommersonnenwende“ ist der Auftakt einer neuen Krimireihe aus Schweden. Gleichzeitig ist es der erste gemeinsame Roman der Autoren Pascal Engman und Johannes Selånker.

Hierzulande kennt man vor allem den ehemaligen Journalisten Pascal Engman. Dessen Debüt „Der Patriot“ (2019) wurde von Kritikern und Lesern gleichermaßen gelobt. Seine Roman über die Sonderermittlerin und Polizeiinspektorin Vanessa Frank („Feuerland“, „Rattenkönig“, „Mörderische Schwestern“) haben ihn zu einem der beliebtesten Krimiautoren Schwedens gemacht.

Johannes Selånker arbeitet als Journalist und war u.a. bei den Zeitungen „Aftonbladet“ und „Expressen“ als Nachrichtenleiter und Chefredakteur tätig. Sein erster Kriminalroman wurde 2020 in Schweden veröffentlicht. Im August erscheint in seiner Heimat der erste Teil einer geplanten Thrillerserie um die Journalistin Selma Halilovic und Anfang Oktober der Band 2 der gemeinsamen Wolf-Berg-Reihe.

Traumatisierter Ermittler

Mit „Sommersondenwende“ versetzen uns Engman / Selånker nicht nur fast 30 Jahre in die Vergangenheit, sondern auch in einen Sommer, der für viele Schweden positiv wie negativ in Erinnerung bleiben wird: Die Fußballnationalmannschaft errang überraschend den dritten Platz bei der WM in den USA und der Soldat Mattias Flink erlangte traurige Berühmtheit durch seinen Amoklauf in Falun. Beide Ereignisse verwebt das Autorenduo mit ihrer Geschichte um den grausamen Frauenmörder. Das Debüt von Engman / Selånker ist ein intensiver, atmosphärisch dichter und äußerst packender Kriminalroman, was nicht zuletzt an der interessanten Figurengestaltung liegt.

Besonders der durch seine Kriegserfahrungen traumatisierte Kriminalkommissar Tomas Wolf ist eine Figur, die den Leser nicht mehr loslässt. Panikattacken gehören zu seinem Alltag , ohne Tabletten kann er kaum den Tag überstehen. Seit seinem Auslandsaufenthalt in Bosnien ist er nicht mehr derselbe. Das spürt auch seine Frau Klara, die immer mehr auf Distanz zu ihm geht. Die Familie gerät darüber hinaus zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten.

Seine beiden Brüder Kristian und Peter sind Skinheads und gehören einer nationalistische Vereinigung an - wie bis vor einigen Jahren auch Tomas. Doch heute distanziert der Ermittler sich klar davon, auch wenn er sich in seinen dunkelsten Momenten eingestehen muss, dass der Hass und das Verlangen nach Gewalt ein Grund für ihn war, seine Familie für den Krieg in Bosnien zu verlassen. Aber dort war nichts so, wie er es sich vorgestellt hatte. Nun verfolgen ihn dortigen Erlebnisse verfolgen nicht nur emotional bis nach Schweden.

Taffe Journalistin und Ermittlerin

Vera Berg ist nicht nur eine selbstbewusste Persönlichkeit, sondern auch mit großer Hingabe Journalistin. Derzeit muss sie sich auch noch um Sigge, Jonnys sechsjährigen Sohn, kümmern.  Notgedrungen begleitet der Junge sie bei der Arbeit. Für eine außergewöhnliche Story überschreitet Vera schon einmal die Grenzen des Erlaubten. Schulden bei ihrem Ex-Freund Jonny zwingen sie dazu, bei ihrem neuen Arbeitgeber Tippgeberhonoraren zu unterschlagen, was nicht folgenlos bleibt. Ihren Start bei der „Kvällposten“ hat die Journalistin sich wahrlich anders vorgestellt.

So verschieden Vera und Tomas auch sind, so haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Beide müssen erkennen, dass man nicht vor seinen Problemen davonlaufen kann, sondern sich ihnen stellen muss.

Fazit

Das Ergebnis der ersten gemeinsamen Arbeit von Engman / Selånker kann sich mehr als sehen lassen. „Sommersonnenwende“ ist in bester skandinavischer Tradition ein packender, atmosphärisch dichter Kriminalroman, der unter anderem Themen wie Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit aufgreift. Vor allem aber weiß der Roman mit zwei starken Protagonisten zu überzeugen. Ein Buch wie gemacht für heiße Sommertage.