Ein spannender Krimi über ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte
Es ist ein besonderer Moment sowohl für die Urlauber und als auch die Inselbewohner, als das Schiff von Dagebüll im Wittdüner Hafen auf Amrum festmacht: Es ist das erste Mal seit dem zweiten Lockdown in der Coronapandemie, dass wieder Besucher auf die Nordseeinsel kommen. Doch die Freude wird schnell getrübt. Die erste Fähre des Tages bringt nicht nur Touristen mit, sondern hat auch einen Toten an Bord. Der Mann wurde offensichtlich Opfer eines Giftanschlags und der Mörder muss sich auf dem Eiland befinden. Noch während sich Inselpolizist Nils Petersen auf die Suche nach dem Täter macht, bekommt er es mit einem weiteren Fall zu tun: Eine verzweifelte Ehefrau vermisst ihren Mann. Ist er etwa Opfer eines Unglücks geworden? Oder gibt es eine Verbindung zwischen den Fällen? Auf der Suche nach Antworten deckt Nils Petersen ein längst vergessen geglaubtes Verbrechen auf und bringt eine Lawine von gefährlichen Ereignissen ins Rollen.
Fünfter Band der „Inselreihe“
Autor Bent Ohle, 1973 in Wolfenbüttel geboren, wuchs in Braunschweig auf und studierte zunächst in Osnabrück im Fachbereich Sozialwissenschaften, bis er an die Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg wechselte, wo er 2004 als Film- und Fernsehdramaturg seinen Abschluss machte.
Der 2011 im Piper Verlag erschienene Thriller „Totenflut“ wurde mit dem Gong-Krimipreis ausgezeichnet. 2013 begann mit „Inselblut“ die Reihe um den Amrumer Inselpolizisten Nils Petersen. Der Roman wurde 2015 unter dem Titel „Tod auf der Insel“ mit Kai Scheve und Lisa Martinek für das ZDF verfilmt. Bis 2020 folgten mit „Inselgrab“, „Inselschatten“ und zuletzt „Inseldämmerung“ drei Fortsetzungen der Buchreihe. Darüber hinaus veröffentlichte Bent Ohle diverse weitere, zum Teil amüsante Kriminalerzählungen. Unter dem Pseudonym Alessandro Montano verfasste er zudem drei Gardasee-Krimis. Nun folgt mit „Inselgeister“ endlich der fünfte Band der noch zu wenig beachteten „Inselreihe“.
Vielschichtiger Roman
Der neue Roman des Braunschweigers Bent Ohle hat es wirklich in sich. Zwar ist er im Gegensatz zu „Inseldämmerung“ weniger tempo- und actionreich, dafür überzeugt er mit einer genau gezeichneten und glaubwürdig dargestellten Parallelhandlung. Angelehnt an wahre Begebenheiten aus der Zeit der DDR und den Fall des Fußballers Lutz Eigendorf erzählt Bent Ohle über einen jungen Schauspieler, dem 1989 die Flucht nach Deutschland gelingt und dessen traurige Geschichte bis in die Gegenwart reicht. Dabei nähert sich der Autor auf eine sehr persönliche Weise dem Thema, da er selber als zehnjähriger Junge das Schicksal des Unfallopfers Lutz Eigendorf miterlebte, welches ihn auch nach vierzig Jahren nicht loslässt. Der Roman nimmt aber die damaligen und bis heute rätselhaften Begebenheiten lediglich als Ausgangspunkt für die spannende und wendungsreiche Handlung. Gleichzeitig verlagert der Autor die Ereignisse in ein anderes Setting und Milieu.
Im Mittelpunkt steht dabei auch weniger das Opfer, sondern vielmehr die Menschen, die unter dem Verlust bis heute leiden, aber auch diejenigen, die ihn zu verantworten haben. Vor der herrlichen Kulisse Amrums entwirft Bent Ohle ein Geflecht aus Hass, Schmerz und Leid, dem der Autor aber gleichzeitig eine Welt der Verachtung, der Ignoranz und Gefühlslosigkeit gegenüber stellt. Die langen Schatten der DDR reichen bis in die Gegenwart und lassen die längst vergangene Zeiten wieder lebendig werden.
Neuer Charakter
Der Roman verbindet gekonnt Vergangenheit und Gegenwart. Hinzu kommt - wie so oft bei reinen Inselkrimis - ein packendes Look-Room-Setting, in dessen Rahmen der Inselermittler Nils Petersen ermitteln muss. Unterstützung bekommt er durch eine neue Figur der Reihe: Oberkommissar Hagen von der Kripo in Niebüll. Der 31-Jährige besitzt einen eher nüchternen Charakter, tritt aber souverän und sicher auf. Sein Verhältnis zu Nils Petersen ist von gegenseitigem Respekt geprägt und beide ergänzen sich gut. Überwiegend ist der Inselpolizist aber erneut bei der Ermittlung trotz Unterstützung durch einige Kräfte vom Festland eher auf sich gestellt, was man von den anderen Teilen der Reihe bereits kennt und was erneut sehr gut funktioniert. Erst wenige Monate nach der dramatischen Geiselnahme auf Amrum („Inseldämmerung“) bekommt es Petersen diesmal mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun, der zunehmend Fahrt auf nimmt und zum Ende hin zu einem richtigen Pageturner wird.
Fazit
Die Inselreihe von Autor Bent Ohle ist weit entfernt von einer leichten Urlaubslektüre. Inhaltlich wie dramaturgisch weiß auch der fünfte Band der Reihe zu überzeugen. Die Parallelhandlung um die schicksalhaften Ereignisse eines DDR-Flüchtlings wird gekonnt mit den aktuellen Ereignissen auf der Insel verbunden. Eine gelungene Fortsetzung einer weit unterschätzten Reihe.
Bent Ohle, Emons
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