Das dunkle Versteck
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2024
- 3
Eine Pistole bringt alles ins Rollen.
Arnaldur Indriðason setzt seine Konráð-Reihe fort. „Das dunkle Versteck“ ist bereits der fünfte Band, in dem der pensionierte Kommissar Konráð der Reykjavíker Polizei Konkurrenz macht und gleichzeitig versucht, den Mord an seinem Vater vor vielen Jahrzehnten aufzuklären.
Eine Luger mit Vergangenheit
Eine Frau gibt eine Pistole bei der Reykjavíker Polizei ab. Sie hat sie nach dem Tod ihres Mannes beim Entrümpeln gefunden. Wie sich herausstellt, ist es eine deutsche Luger aus dem 2. Weltkrieg – und sie wurde für den bis jetzt ungeklärten Mord an einem jungen Isländer vor vielen Jahren gebraucht. Als Konráð davon erfährt, ist er gleich alarmiert, denn sein Vater besaß auch einmal eine solche Pistole. Und bei Seppis Charakter und Lebensweise ist eine Verwicklung in den Mord durchaus denkbar. Konráð stellt wieder einmal eigene Ermittlungen an und findet Verbindungen in die Vergangenheit, die alles andere als beruhigend sind.
Vorkenntnisse sind unabdingbar
Es gibt Krimi-Serien, in denen die Geschichten Standalones sind und nur die Protagonisten eine Konstante bilden. In der Konráð-Reihe ist das anders. Zwar bilden immer aktuelle Fälle das Gerüst, doch die Ermittlungen führen immer in die Vergangenheit und haben stets mit der Ermordung von Seppi, Konráðs Vater, zu tun. Mit jeder Lösung eines aktuellen Falles wird auch ein Puzzlestück zu dem alten Mordfall geliefert. Nach und nach setzt sich so ein Ganzes zusammen, das irgendwann Seppis Mörder präsentieren wird. Aus diesem Grund ist es aber unabdingbar die Krimis tatsächlich in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Ein Einsteigen nach dem ersten Band dürfte nur wenig Freude machen, zumal die Bücher allein schon durch ihre Art vom Mainstream abweichen und nichts für Zwischendurch sind.
Noirs der Extraklasse
Arnaldur Indriðason geht seine Krimis extrem ruhig an. Wilde Aktionen und coole Ermittler findet man hier nicht. Dagegen wird viel Wert auf Atmosphäre und Charaktere gelegt. Das Ergebnis sind Nordic-Noirs der Extraklasse. In sehr ruhigem Ton gehalten, werden hier Kapitalverbrechen behandelt, die, zusammen mit der Schilderung der isländischen Gesellschaft, noch dunkler als Noir sind. Bei der Lektüre hat man mehr als einmal den Eindruck, in Island ist nicht nur die Polarnacht schwarz. Indriðason schildert eine Gesellschaft, die nur aus Alkoholikern, Gewalttätigen, Drogenabhängigen und anderen verkrachten Existenzen zu bestehen scheint. Missbrauch und illegale Geschäfte werden als allgegenwärtig beschrieben, zwar strafbar, aber dennoch weit verbreiteter Alltag. Wer zu Depressionen neigt, sollte sich diese Bücher ersparen!
Fragwürdige Charaktere
Auch bei seinen Protagonisten macht Indriðason keine Ausnahme. Konráð entpuppt sich mit jedem neuen Buch mehr als eher fragwürdiger Charakter. Sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich ist er nicht immer auf der korrekten Seite geblieben. Und sein Vater Seppi setzt dem ganzen als Schläger und Kleinkrimineller ohne jeden Skrupel noch die Krone auf. Doch gerade dadurch erhalten die Figuren auch eine Tiefe, die nicht auf den ersten Blick zu sehen ist und die sie interessant macht. Bei den Nebenfiguren geht es in diesem Sinne munter weiter. Lediglich Húgó, Konraðs Sohn, scheint da eine wohltuende Ausnahme zu bilden.
Der schwächste Teil
Wie in den Vorgängern stellt Indriðason eine aktuelle Entwicklung als Ausgangspunkt für neue Erkenntnisse zu Seppis Tod dar. Doch dieses Mal ist der Fall noch konstruierter als alle seine Vorgänger. Alle Vorkommnisse in der Vergangenheit, die in Zusammenhang mit der Ermordung des jungen Garðar stehen und jegliche Erkenntnisse die sich aktuell daraus ergeben, scheinen alle nur aus einem Grund zu existieren – die Lösung des Mordes an Seppi. Alles scheint im Zusammenhang damit zu stehen. Immer wieder wird man ohne Vorwarnung in die Vergangenheit geschickt, bloß um im nächsten Kapitel, ebenfalls ohne einleitende Zeitangabe, wieder in der Gegenwart zu landen. Dazu machen unglaublich viele angebliche Zufälle den Plot zu unrealistisch und damit auch gleichzeitig relativ unspektakulär. Schon immer wurde Spannung nur aus der Frage nach dem Zusammenhang aktueller Ermittlungen mit Seppis Tod generiert, doch dieses Mal schießt der Autor über das Ziel hinaus und man ist regelrecht erleichtert, als sich eine Lösung anzubahnen scheint. Etwas ratlos klappt man das Buch zu und fragt sich, ob es wirklich so simpel war oder ob noch etwas nachkommt und man einen weiteren Band mit dem Ex-Kommissar Konrað erwarten kann.
Fazit
Der fünfte Band der Kommissar Konráð-Reihe schmälert mit einem sehr konstruiert wirkenden Plot das Lesevergnügen. Gewohnt ruhig erzählt und abermals dem Nordic-Noir Genres würdig, bringt er neue Erkenntnisse zu Seppis Tod, die man alle nur nachvollziehen kann, wenn man die Bände der Reihe nach gelesen hat. Vielleicht präsentiert Arnaldur Indriðason sogar die Lösung, doch bei Konrád weiß man nie!
Arnaldur Indriðason, Lübbe
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