NACHT - Die Toten von Jütland

  • Knaur
  • Erschienen: Oktober 2023
  • 4
NACHT - Die Toten von Jütland
NACHT - Die Toten von Jütland
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Thomas Gisbertz
63°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2023

Bizarrer Start der neuen dänischen Thrillerreihe um die Task Force 14

Ein heftiger Oktobersturm hat Jütland fest in seinem Griff. Dennoch kämpft Claus Fockbek, bewaffnet mit einer Schrotflinte, Mitten in der Nacht gegen den nicht nachlassenden Wind und den prasselnden Regen an, weil er auf einer alten Wallanlage in der Nähe seines Bauernhofes eine seltsame Erscheinung ausgemacht hat. Das laute Heulen einer Sirene ist zu hören und ein seltsames Licht blinkt immer wieder auf. Als der Bauer auf dem Wallkamm ankommt, macht er eine erschreckende Entdeckung. Vor ihm liegt ein toter Mann, sein Mund weit aufgerissen und auf dessen Brust wurde etwas eingeritzt: GRANDBERG, der Name der mächtigsten und einflussreichsten Familie in der Umgebung - und des Chefs der Mordkommission. Neben der Leiche steckt eine Schaufel im Boden, die das Ermittlerteam auf ein mörderisches Geheimnis in der alten Wallanlage verweist: das Massengrab eines Serienkillers.

Weil Kommissar William Grandberg wegen Befangenheit nicht selbst ermitteln darf, werden die Sonderermittler der Task Force 14 aus Kopenhagen hinzugezogen: David Flugt, eben erst von einem traumatischen Undercover-Einsatz in Rumänien zurückgekehrt, und sein extrovertierter Kollege Lucas Stage. Beide machen Jagd auf den brutalen Killer. Was sie nicht ahnen: Er ist bereits ganz in ihrer Nähe.

Neue dänische Thrillerreihe

Nein, Autor Thomas Bagger ist nicht etwa der neue Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, auch wenn der Namensvetter bestimmt viel Spannendes zu erzählen hätte. Vielmehr handelt es sich beim Autor um einen 42-jährigen Dänen, der in seiner Heimat längst kein Unbekannter mehr ist. Thomas Bagger studierte zunächst Medienwissenschaften und war auf dem Weg in die IT-Branche, als er 2017 seinen ersten Kriminalroman veröffentlichte, welcher besonders als Hörbuch in Dänemark äußerst erfolgreich war. Seine neue Thriller-Reihe um David Flugt und Lucas Stage von der Task Force 14 brachte ihm positive Kritiken und bereits die zweite Nominierung für den Publikumspreis der dänischen Krimimesse ein. Der zweite Band „FEUER - Mord auf den Färöern“ erscheint bereits im Dezember ebenfalls beim Knaur Verlag.

Viel Tempo, aber schwache Figurendarstellung

Es kommt selten beim Lesen eines Thrillers vor, dass einem die Protagonisten irgendwie nicht nahe kommen. Im ersten Band der Reihe um die dänische Task Force 14 ist dies leider so. Sowohl die Sonderermittlungsgruppe aus Kopenhagen als auch die Kommissare der Mordkommission Esbjerg bleiben blass. Autor Thomas Bagger legt seinen Schwerpunkt weniger auf eine differenzierten Figurendarstellung, sondern eher auf Tempo, eine düstere Atmosphäre und eine gehörige Portion Gewalt und Brutalität. Sein Thriller ist mitunter an der Grenze des Zumutbaren, wenn es unter anderem um die Mordmethode des Serienkillers, ein osteuropäisches Verbrechersyndikat oder die Darstellung eines überlebenden Opfers geht. Das ist sicherlich nichts für schwache Gemüter.

Dem gegenüber steht eine schwache Figurendarstellung. Allenfalls der rätselhafte David Flugt, der vor seiner Tätigkeit bei der Task Force beim Bundesgrenzschutz und Europol gearbeitet hat, ist eine sympathische Figur. Der stark traumatisierte Ermittler steht im starken Kontrast zu seinem exzentrischen Kollegen Lucas Stage, einem empathielosen Spezialagenten, der vor allem durch seine zynische, oft überhebliche Art auffällt. Diese Figurentypen sind leider allzu bekannt. Dies gilt auch für die Kommissarin Jenny Seland, die nicht nur eine Sexbeziehung mit ihrem Chef William Grandberg pflegt, sondern als einzige weibliche Ermittlerin darüber hinaus als reichlich naiv dargestellt wird (Sie kommt auch von William nicht los, weil dieser so unverschämt gut aussieht!). In der Thrillerwelt des Dänen Thomas Bagger dominieren leider noch eindeutig die Männer, Frauen bleibt da nur die Opferrolle und das in jeglicher Hinsicht. Der Autor bedient sich damit längst überholter Rollenklischees.

Stereotypen und Besonderheiten

Ist die Figurendarstellung doch recht simpel und oberflächlich, punktet Thomas Bagger aber mit einem guten Plot, der gleich drei Handlungsstränge miteinander verbindet. Neben der Suche nach dem Serienmörder, der seine Opfer in einer historischen Wallanlage vergräbt, geht es auch um einen Parallelfall: Eine junge Frau, die Opfer eines Gewaltverbrechens zu sein scheint, wird vermisst. Der dritte Handlungsstrang führt bis nach Rumänien und in ein kriminelles Umfeld der schlimmsten Art. Ein Ort der grenzenlosen Gewalt, Brutalität und des menschlichen Abschaums. Zuletzt wird aber auch immer wieder das Leben der jütländischen Grandberg-Dynastie durchleuchtet, einer Familie, bei der es - ähnlich wie bei den ermittelnden Polizisten - Normalität nicht zu geben scheint. Alle müssen irgendwie besonders und speziell sein.

Zwar legt Autor Thomas Bagger die ein oder andere interessante erzählerische Finte, dennoch wirkt die Handlung zunehmend ermüdend, da man einen Verdächtigen nach dem anderen abarbeitet und vieles dem Zufall überlassen wird. Besonders aber der Erzählstil und die Sprache Baggers wissen nicht zu überzeugen. Sie wirkt mitunter recht platt und banal. Am Ende bleiben zudem viele Fragen offen, so zum Beispiel, wie es der Serienkiller schaffen konnte, 18 Frauen über Jahre in einer Wallanlage zu vergraben, ohne dass es auffällt, obwohl dort unter anderem regelmäßig geologische Untersuchungen gemacht werden.

Fazit

Ein eher durchwachsener Start der neuen dänischen Thrillerreihe um die Task Force 14. Wer düstere, unheimliche und brutale Romane mag, der wird sicherlich seine Freude an „NACHT“ haben. Gute Ermittlungsarbeit und ausgefeilte Dialoge sucht man aber vergebens. Vielleicht ist dies der neuen Generation von Thrillerautoren geschuldet. Das muss aber nicht jedem gefallen - genauso wie die Darstellung der weiblichen Figuren im Roman.

NACHT - Die Toten von Jütland

Thomas Bagger, Knaur

NACHT - Die Toten von Jütland

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