Mit kalter Präzision

Mit großen Erwartungen ging ich an diesen Thriller, denn ich hoffte, dass sich hinter dem Cover eine Welt eröffnet, die mir bisher noch kein Buch geben konnte: Einen realistischen, informativen und aufregenden Einblick in den Beruf eines Rechtsmediziners. Genau das habe ich bekommen.

Aber zunächst zum Inhalt: Die Frau eines renommierten Berliner Schönheitschirurgen Roderich Kracht wurde in ihrer Villa stranguliert aufgefunden. Dr. Sabine Yao ist Rechtsmedizinerin und wird an den Tatort gerufen. Roderich Kracht hat für den Todeszeitpunkt ein wasserdichtes Alibi. Außerdem gibt es keine Einbruchsspuren. Yao merkt, dass irgendetwas an der Sache nicht stimmen kann. Der errechnete Todeszeitpunkt und das Stadium der Totenstarre stimmen nicht überein. Die Rechtsmedizinerin begibt sich mit ihrem Team auf die Suche nach der Antwort und betritt die Welt der rechtsmedizinischen Wissenschaft und Polizeiermittlungen. Bald stellt sie fest, dass der Fall mit einem anderen Mord zusammenhängen könnte. Yao merkt, dass sie es mit einem Mörder zu tun hat, der ebenfalls rechtsmedizinische Kenntnisse hat.

„Sie nehmen das hier sehr persönlich, oder? […] Die vielen unbekannten Toten, denen nur wir in der Rechtsmedizin einen Namen und ein Gesicht und damit auch eine Stimme geben können. Das macht für mich meinen Beruf aus. Das ist für mich Rechtssicherheit, wie ich sie von einem Rechtsstaat erwarte. Das sind meine Werte. Das ist mein Anspruch. Und ja, Herr Kracht. Ich nehme das persönlich. Sehr persönlich sogar.“

Dr. Sabine Yao ist eine Wissenschaftlerin, die ihre Berufsehre wichtig nimmt und sich in einen Fall reinhängt, als wäre es ihre private Mission. Wenn sie nicht gerade arbeitet, kümmert sie sich in ihrem Privatleben um ihre psychisch kranke Schwester, die sie regelmäßig in der Psychiatrie besucht. Ihre fachliche Expertise hebt sie ebenso von ihren Kolleginnen und Kollegen ab, wie ihre Fähigkeit, sich in polizeiliche Ermittlungen einzubinden und bald zu einer unentbehrlichen Kraft zu werden.

Tsokos stattet seine Protagonistin mit einem derartigen Ehrgeiz aus, dass sie sich nicht nur um die rechtsmedizinischen Fragestellungen kümmert, sondern aktiv an den polizeilichen Ermittlungen teilnimmt. Tsokos weiß, dass ein guter Rechtsmedizin–Thriller nicht ausschließlich am Obduktionstisch stattfindet. Dennoch macht der Autor die rechtsmedizinischen Fragestellungen auf eine Art und Weise plastisch, die mich als Leser zur weiteren Recherche anregt. Tsokos verweist auch auf echte Kriminalfälle der Vergangenheit und gibt der Handlung dadurch einen noch reelleren Kontext als ohnehin schon.

„[…] Wenn sie in gewohnter Routine nach der Frühbesprechung im Sektionssaal ihrer Arbeit nachgehen konnte. Wenn sie das tun konnte, was ihr eine tiefe professionelle Befriedigung verschaffte. Wenn sie zwar dem Tod so nah war, aber doch erst richtig lebte.“

Das Buch ist ein wunderbarer Auftakt einer neuen Rechtsmedizin–Thriller-Reihe um Dr. Sabine Yao. Tsokos beschäftigt sich mit dem Tod und seinen Rätseln. Wie er durch seine klare und einfache Sprache eine Leiche „zum Sprechen“ bringt und ihr ihre tiefsten Geheimnisse entlockt, ohne dass man als Laie abgehängt wird, ist einzigartig. Tsokos verleiht diesem Buch Passagen, die nur aus dem Herz eines Rechtsmediziners stammen können.

Fazit

Dr. Sabine Yao ist das deutsche Pendant zum britischen Dr. David Hunter von Autor Simon Beckett. Tsokos schreibt Bestseller um Bestseller. Längst hat er zwei Branchen erobert und performt auf Top-Niveau: Als weltweit renommierter Rechtsmediziner und als begnadeter Schriftsteller von Thrillern, die nicht nur hochklassig sind, sondern Leserinnen und Lesern einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen der Rechtsmedizin ermöglichen. Fraglos wird Tsokos mit diesem Thriller jeden begeistern, der sich für die Rechtsmedizin interessiert und einen Thriller lesen will, der ihn an die Couch fesselt.