Todschwarze Nacht

  • Lübbe
  • Erschienen: März 2024
  • 2
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Sabine Bongenberg
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2024

Sehr viel Obdachlosenmilieu - ein bisschen zu wenig Thriller.

Lou hatte einmal gedacht, dass sie ihr Leben im Griff hatte: Toller Job, Wohnung, Geld, Einfluss - alles war da und fast (FAST) wäre es ihr gelungen die Dämonen ihrer Kindheit hinter sich zu lassen. Aber nur "fast". Jetzt hat sie alles verloren. Sie lebt auf der Straße, es ist dunkel und kalt und ginge es nach ihr, dann sollte sie doch jeder in Ruhe lassen. Aber es gibt dennoch Dinge, die kann sie nicht so einfach geschehen lassen und als sie beobachtet, wie zwei Männer eine junge Frau vergewaltigen wollen, da greift sie selbstverständlich ein. Natürlich hat sie anschließend nie bereut, der Frau geholfen zu haben, aber Jenny - so heißt die Gerettete - die heftet sich schon ziemlich an ihre Fersen und will offensichtlich nicht kapieren, dass sie lieber allein unterwegs ist. Andererseits - auch Lou kann sicherlich hin und wieder ein wenig Gesellschaft gebrauchen und das um so mehr, als offensichtlich immer mehr junge Frauen im Obdachlosenmilieu spurlos verschwinden. Ein Zufall? Irgendwann kann Lou das nicht mehr glauben und fängt an, die Fälle zu untersuchen. Dabei weiß sie nicht, dass sie schon lange im Fadenkreuz des Täters ist.

Der tägliche Überlebenskampf auf der Straße

Die ehemalige Rechtsanwältin Jules Gray lässt ihren Roman über ungeklärte Verbrechen im Milieu der Obdachlosen spielen. Wer hier angekommen ist, hat so viel mit seinem täglichen Überlebenskampf zu tun, dass es kaum auffällt, dass Menschen spurlos verschwinden. Hier nimmt jeder an, dass sie einfach weitergezogen oder vielleicht doch den Absprung geschafft haben. In dieser Gegengesellschaft ist dann auch die ehemalige Journalistin Lou gestrandet. Ihr hat das Leben übel mitgespielt und nach einem kurzen Zwischenspiel hinter schwedischen Gardinen ist sie hier angekommen. Ganz unten. Sie ist dann auch diejenige, die beginnt nachzufragen und tiefer in die Fälle der verschwundenen Personen einzusteigen.

Sehr viel Milieu - ein bisschen wenig Krimi

Vieles dreht sich in diesem Szenario dann auch um die alltäglichen Probleme der obdachlosen Menschen. Wo kann man sich aufwärmen, die Sachen waschen, warme Kleidung herbekommen? Gray hat ihren Fokus auf diese Fragen gelegt und so tritt der eigentliche Krimi in den Hintergrund. Irgendwann fragte ich mich dann auch - nachdem ich so in der Mitte des Buches angekommen war - wo denn jetzt eigentlich die Verbrechen des - laut Klappentextes - grausamen Killers bleiben und wann die Fälle der verschwundenen Menschen denn eigentlich einmal genau untersucht werden? Hier dreht sich zu viel im Kreise: Immer wieder gibt es neue Verschwundene, immer wieder werden neue Fragen zu deren Verschwinden gestellt, aber die Handlung will nicht so recht weiterkommen.

Immerhin hat der/die Leser*in gegenüber der eigenwilligen Ermittlerin einen Vorteil: Er hat schon einiges über die Gedankenwelt des Mörders erfahren. Streckenweise ist das aber auch die einzige Information, die dazu beiträgt, überhaupt an eine Mordserie zu glauben. Hätte sich die Handlung nämlich alleine auf Lous "Ermittlungen" beschränkt, dann wäre nur eine recht belanglose Auflösung denkbar und möglich gewesen. Durch die Bekenntnisse des Killers wird lange Zeit allein das wahre Verbrechen beschrieben und eine deutliche Spur zu dem möglichen Täter gelegt.

Fazit

Die "Todschwarze Nacht" lässt Verbrechen im Obdachlosen-Milieu spielen für deren verzweifelte Akteure viele Nächte tatsächlich todschwarz und endlos erscheinen müssen. Vieles ist berührend und eindringlich geschildert, dennoch hätte dem Krimi die eine oder andere Straffung zugunsten eines Fortschritts der Ermittlungen nicht geschadet.

Todschwarze Nacht

Jules Gray, Lübbe

Todschwarze Nacht

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