Leichen pflastern ihren Weg.
Das Verhältnis zwischen den Schwestern Mila und Jess war schon immer ein wenig gespalten. Mila, die jüngste in der Familie, durfte sich immer vieles herausnehmen was der Älteren nicht erlaubt wurde. Jess wurde im Gegenzug oft für Dinge bestraft, die eigentlich auf das Konto ihrer Schwester gingen. Jetzt aber, als Erwachsene, ist Jess nun die Erfolgreiche, die ihr Leben im Griff hat und bei der alles zu funktionieren scheint. Zuletzt hat es zwischen den Schwestern aber einen heftigen Streit gegeben und so war Mila eigentlich recht überrascht, als sie dann doch zu Jess' Hochzeit in den bayrischen Alpen eingeladen wurde. Es soll jetzt nicht so einfach eine Trauung sein, sondern Jess plant eine regelrechte Hochzeitswoche. Die Anreise und der Aufenthalt werden dann auch vom angehenden Brautpaar bezahlt und alles, was Mila und ihr Mann Ethan einhalten müssen, ist das pünktliche Erscheinen.
Aber da gehen die Probleme los: Der Mietwagen im fernen Deutschland ist anders als gedacht, die Straßenverhältnisse schwierig und als dann auch noch das Navi ausfällt, stranden die beiden in einem unwegsamen Waldgebiet. Der einzige Hinweis auf eine Siedlung ist ein windschiefes Hinweisschild zu dem Örtchen "Witwerberg", aber als sie dort ankommen stellen sie fest, dass die Siedlung offensichtlich schon lange aufgegeben wurde. In Finsternis und Eiseskälte fällt Mila in einen tiefen Schlaf. Als sie wach wird, stellt sie fest - Ethan ist mitsamt der einzigen Taschenlampe verschwunden und Mila muss allein in der menschenfeindlichen Umgebung um ihr Leben kämpfen. Dennoch häufen sich auch noch eigenartige Vorkommnisse und sie zweifelt langsam daran, ob sie tatsächlich wirklich allein im finsteren Wald ist.
Es geht eine Träne auf Reisen....
... so pflegte meine Mutter zu sagen, wenn jemand offensichtlich nicht in der Lage war, sein Leben zu regeln. Ein bisschen erinnerte mich dieser Spruch an die Heldin und Ich-Erzählerin des Romans. Mila bekommt irgendwie nichts so wirklich viel auf die Kette: Das kleine Geschäft, das sie in London mit Ethan betreibt, läuft mehr als schlecht als recht, die Finanzen sind knapp, ständig verschwitzt sie Termine, ihre versandten Weihnachtsgeschenke kommen Neujahr an und irgendwie bekommt man beim Lesen das Gefühl, dass sie nie aus der Rolle der kleinen Schwester herausgewachsen ist. Das macht sie aber nicht unbedingt zur Sympathieträgerin und so folgte ich ihrem Abenteuer im bayrischen Wald mit zunehmendem Unverständnis. Deutschland dürfte zu den am dichtesten besiedelten Ländern Europas gehören und hier schafft man es tatsächlich, so verloren zu gehen, dass eine Rückkehr in die Zivilisation aussichtslos erscheint? In den Wäldern Kanadas oder Alaskas hätte ich eine derartige Situation vielleicht noch nachvollziehen können, ganz bestimmt aber nicht hier im grundsätzlich recht geordneten Bayern. Auch die ständigen Ängste der naiven Heldin vor Wölfen oder vor Bären brachten mich daher eher zum Schmunzeln.
Hier passt so einiges nicht.
Neben diesen Kritikpunkten fand ich auch so einiges an der Handlung unlogisch. So wandert die Heldin regelmäßig zwischen dem liegengebliebenen Auto und der einsamen Siedlung hin und her, scheint aber niemals auf die Idee zu kommen, sich auf den Weg zu einer möglicherweise belebteren Gegend aufzumachen. Bekleidet ist sie mit einer Leggins und eine paar Turnschühchen - und auch wenn das garstige Klima immer wieder beschrieben wird, so scheint es keine größeren Schäden hervorzurufen. Auch die spärlich vorhandenen Lebensmittel scheinen unendlich lange zu halten. Manchmal wünscht man sich fast, dass die Autorin vielleicht einmal an einem Survival-Training teilnehmen möchte, um die Unbillen der Natur dann doch einmal etwas näher kennenzulernen.
Als irritierend empfand ich auch die Handlung, die neben den Ängsten der Heldin plötzlich scheinbar eine ganze Flut von Verbrechen ans Tageslicht spülte. Fast meint man die Stimme einer wohlmeinenden Lektorin zu hören, dass die Grundidee ja nicht schlecht sei, aber für einen Roman dann doch ein wenig mehr passieren müsse. So erscheinen die zusätzlichen Untaten wir ein lieblos angefügter Appendix; und wie ein Verbrecher im dicht verschneiten Wald sein ruchloses Werk verrichten will, ohne offensichtlich eine erkennbare Spur zu hinterlassen, das muss mir doch noch jemand zeigen. Immerhin spiegeln die Szenen, die in der "Zivilisation" spielen, einiges an Realität und damit auch Spannung wider und vermutlich ist das auch der Grund, warum viele der Leser/*innen dieses Buch dann doch zu Ende lesen.
Fazit
Eine ganz gute Idee, die aber vermutlich keinen buchfüllenden Roman ausmachte und eine aufgepfropfte neue Mordserie machen leider keinen spannenden Krimi aus - von einem Thriller mal ganz zu schweigen.
Sarah Goodwin, Lübbe
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