Die Villa

  • Penguin
  • Erschienen: August 2023
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Thomas Gisbertz
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2023

Gelungener Thriller mit explosivem Thema

Etwa eineinhalb Jahre ist es her, dass die Berliner Polizeianwärterin Johanna Böhm gemeinsam mit Oberkommissar Kerstin de Jong und Rasmus Falk, einem ehemaligen Spion des Militärischen Abschirmdienstes, Jagd auf den „Zirkel“ und dessen führende Köpfe rund um Carl Bellmann machte. Seitdem hat sich einiges verändert…

Johanna steht kurz vor ihrem Abschluss an der Polizeiakademie, Rasmus arbeitet inzwischen als Lehrbeauftragter für Cyber Security und Cyber Defense an der Hochschule. Doch Johanna kann die langen Schatten ihrer Vergangenheit nicht einfach hinter sich lassen. Das Wissen, dass ihr leiblicher Vater Albert Krahl, der ihr und Falk das Leben bei ihrem letzten Einsatz das Leben rettete, irgendwo untergetaucht ist, lässt ihr keine Ruhe. Sie möchte ihren geplanten Urlaub nutzen, um nach ihm zu suchen.

Doch am Tag zuvor erreicht sie ein Anruf von ihrer besten Freundin Alice. Diese glaubt, ihre nigerianische Cousine Faith in Hamburg gesehen zu haben und befürchtet, dass diese aus ihrer Heimat nach Deutschland verschleppt wurde. Auch wenn Johanna Alices Sorgen zunächst nicht ganz teilen kann, reist sie in die Hansestadt und macht sich gemeinsam mit ihrer Freundin auf die Suche. Vor Ort kommt der Polizeianwärterin aber ein schrecklicher Verdacht: Ist Faith vielleicht in die Fänge skrupelloser Menschenhändler geraten? Johanna bittet Rasmus, ihr in Hamburg zu helfen. Unterstützung erhalten beide von Alice Bruder Dario. Während sich vor ihnen immer tiefere Abgründe aus Gier und Unterdrückung auftun, gerät die Gruppe um Johanna und Falk selbst in größte Gefahr.

Fortsetzung der Böhm-Falk-Reihe

Der 1982 geborene Autor Leon Sachs, der mit bürgerlichem Namen Leon Merten heißt, studierte in Fribourg Medienwissenschaften und erwarb ein Diplom der Durham University in Religion und Theologie. Nach knapp drei Jahren Pause legte der Journalist aus Köln 2022 nach einem Wechsel zum Penguin Verlag seinen neuen Roman „Der Zirkel“ vor - gleichzeitig den ersten Band der neuen Reihe um die Polizeianwärterin Johanna Böhm und den Ex-Geheimdienstler Rasmus Falk. Nun folgt mit „Die Villa“ die Fortsetzung, die aber nicht ganz an den temporeichen, kurzweiligen und äußerst spannenden ersten Teil heran reicht, auch wenn - wie immer bei Sachs-Romanen - ein hochaktuelles Thema im Mittelpunkt der Handlung steht.

Brisantes Thema

Leon Sachs gelingt es, dem Thema „Menschenhandel“ ein Gesicht zu geben. Der sehr gut recherchierte Hintergrund und dessen Umsetzung im Roman gehen dem Leser unter die Haut. Das Leid und der Schmerz der jungen Frauen sind nahezu spürbar. Hierin zeigt sich die große Stärke des Autors. Sachs Romane bestechen darüber hinaus immer wieder mit einer enormen Informationsfülle und Detailgenauigkeit.

Allerdings nimmt der aktuelle Roman trotz aller Brisanz einen langen Anlauf, bis das Erzähltempo und die Spannung den Leser zunehmend fesseln. Dies mag daran liegen, dass Johanna und Rasmus zunächst doch relativ naiv agieren und sich dadurch immer wieder in Gefahr begeben. Dies mag nicht so recht zu einem Ex-Geheimdienstler und einer Polizeischülerin kurz vor dem Abschluss passen. Auch die Verbindung des im Zentrum der Handlung stehenden Themas mit der Vergangenheit Johannas wirkt etwas zu sehr konstruiert. Böhm sucht nämlich Hilfe bei ihrem untergetauchten Vater, der anscheinend mit der Rassentheorie der Nazis sympathisierte. Der Konflikt, in dem sich Johanna damit begibt (Soll sie ihrer besten Freundin helfen oder den Kontakt mit ihrem Vater ablehnen?) hätte differenzierter erarbeitet werden können, um auch der Figur der Polizeianwärterin mehr Tiefe zu geben. So dient es „nur“ als Spannungskatalysator, was in einem Thriller aber durchaus legitim ist. Dass Johanna und ihr Vater von Beginn an sehr vertraut miteinander umgehen, wirkt dennoch eher unpassend.

Inhaltlicher Bruch

Während im ersten Teil des Romans die kriminellen Machenschaften von Schleuserbanden und das Thema der modernen Sklaverei und Zwangsprostitution im Mittelpunkt stehen, setzt Leon Sachs etwa nach der Hälfte einen anderen Schwerpunkt, wenn es um Albert Krahl und seine dunkle Vergangenheit geht. Auch wenn hier ein wichtiger Handlungsstrang des ersten Bands der Reihe fortgesetzt wird, bewirkt dies doch einen kleinen inhaltlichen Bruch. Gleichzeitig bemüht der Autor zu viel Zufälle, um beide Episoden zusammenzuführen. Ab diesem Zeitpunkt geht es nahezu ausschließlich um Krahl und einen Intimfeind von ihm, der einst ein Freund und Verbündeter war. Dadurch rückt das Thema der modernen Sklaverei leider in den Hintergrund. Gleichzeitig nimmt der Roman aber an Tempo und auch an Spannung bis zum Schluss hin zu und erinnert in seiner packenden Gestaltung an den „Zirkel“.

Fazit

Die Böhm-Falk-Reihe von Autor Leon Sachs ist allein wegen der brisanten Themen äußerst lesenswert. Auch wenn „Die Villa“ nicht ganz so packend ist wie sein Vorgänger, gelingt Leon Sachs erneut der Spagat zwischen guter Recherchearbeit, brisanten Themen und einem spannenden Plot.

Die Villa

Leon Sachs, Penguin

Die Villa

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