Kant und das Leben nach dem Tod

  • Heyne
  • Erschienen: November 2023
  • 4
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Thomas Gisbertz
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2023

Spannender Kriminalroman mit wichtigem Thema

Hauptkommissar Joachim Kant hilft gerade seiner Tochter Frida beim Umzug, als er unvermittelt zu einem Tatort gerufen wird: Im Hofoldinger Forst, südlich von München, findet ein junges Mädchen nahe der A8 in einem Müllsack einen abgetrennten Arm. Bei der rechtsmedizinischen Untersuchung stellt sich heraus, dass der Arm über einen längeren Zeitraum tiefgekühlt wurde, bevor man ihn im Waldstück entsorgte. Durch den Hinweis eines Zeugen finden Kant und sein Team kurze Zeit später die Hüfte des Opfers in einem Kanalschacht. Dank einer Gelenkprothese kann man das Opfer identifizieren. Es handelt um einen 81-jährigen Rentner, der zuletzt in einer Hochhaussiedlung im verrufenen Münchner Stadtviertel Hasenbergl lebte. Seltsamerweise scheint niemand in der Nachbarschaft das Opfer zu kennen, obwohl dieses bis vor Kurzem dort gewohnt haben muss. Und der einsame alte Mann ist nicht der Einzige aus der Siedlung, der verschwindet. Welche finstere Wahrheit versteckt sich hinter den Wohnungstüren?

Fortsetzung der Kant-Reihe

Autor Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, ehe ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München, wo er noch heute lebt, wenn er nicht in Portugal ist. Häußler veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen. 

„Kant und das Leben nach dem Tod“ ist der dritte Fall für Hauptkommissar Joachim Kant und sein Team der Münchner Mordkommission. Eine Reihe, der noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Die Romane überzeugen nicht nur mit einem unverwechselbaren Schreibstil, sondern behandeln auch stets ein wichtiges soziales oder gesellschaftlich relevantes Thema. Diesmal geht es um die Anonymität und das Nichtbeachten von Mitmenschen, wenn - wie in diesem Fall - älterer Mitbürger plötzlich nicht mehr auftauchen. Da diese oftmals keine Verwandten oder Freunde mehr haben, die sie vermissen könnten, bleibt ihr Verschwinden zumeist unbeachtet.

Spannende Geschichte

Während Kant und sein Team sich fieberhaft auf die Suche nach dem unbekannten Täter machen, kehrt die junge Antonia nach dem Tod ihrer Mutter aus Portugal nach Deutschland zurück. Doch der Neustart ist schwerer als gedacht. Nachdem ihr Kleinbus, mit dem sie unterwegs ist, von der Polizei stillgelegt wird, wendet sie sich notgedrungen an ihren letzten verblieben Verwandten. Aber Opa Franz kennt sie allenfalls noch vage, da sie bereits als Kleinkind die Heimat verließ. Dennoch nimmt Franz seine Enkelin zusammen mit seiner Lebensgefährtin Evi ohne Zögern auf. Doch irgendetwas scheint mit den beiden nicht zu stimmen. Antonia überkommt ein seltsames Gefühl, als sie erfährt, dass Opa Franz ausgerechnet in der Wohnhaussiedlung lebt, in der in den letzten Jahren immer wieder ältere Menschen verschwanden.

Starkes Ermittlerteam

Wie immer bei Marcel Häußlers Kriminalromanen gewinnt man einen verhältnismäßig realistischen Einblick in die Polizeiarbeit, wenn die Ermittler nur langsam und nach intensiver Arbeit dem Täter allmählich auf die Spur kommen. Währenddessen müssen die Teammitglieder der Mordkommission auch lernen, mit kleineren und größeren privaten Veränderungen klar zu kommen. Kant meidet, wenn möglich, seine Wohnung, da er die Einsamkeit ohne seine Tochter Frida nicht erträgt, nachdem diese mit ihrem Freund zusammengezogen ist. Für Kants Kollegen Anton Rademacher wird der aktuelle wohl auch sein letzter Fall. Vier Jahre nach seiner erfolgreichen Darmkrebsoperation entschließt er sich, seinem Leben eine neue Richtung zu geben, indem er zusammen mit seiner Frau den Traum von einem Campingplatz an der Nordsee verwirklichen will. Für Unterhaltung sorgt erneut Kants Kollegin Hanna Weiß. Die junge Frau, die sich nach ihrem Informatikstudium als Quereinsteigerin beim LKA bewarb, leidet aber unter einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung, die ihre Arbeit entscheidend prägt. Sie neigt zu Perfektionismus, beharrt auf Ordnung und Pünktlichkeit und tendiert dazu, Dinge zu kontrollieren. Abweichungen vom Plan sind ihr ein Graus. Nun wird aber unerwartet ihr (Liebes-)Leben auf den Kopf gestellt.

Großartiger Geschichtenerzähler

Häußlers Romane haben einen ganz unverwechselbaren Sound: Der oftmals lakonische Erzählstil kommt ohne größere Abschweifungen aus, die Handlung ist stets stringent und die Sprache ebenso authentisch wie klar. Der Autor spart auch nicht an Humor. Häußler schreibt auf den Punkt und doch schafft er es nicht nur große Spannung aufzubauen, sondern das Ermittlerteam von seiner menschlichen Seite und in seiner Pluralität darzustellen. Letzteres gelingt ihm hervorragend durch einen wechselnden personalen Erzähler. Dennoch schreibt Häußler kein Wort zu viel. Das sorgt für Tempo und lässt den Leser den Roman nicht mehr aus der Hand legen. Der Autor beweist eindrucksvoll, dass packende Kriminalromane keine 600 Seiten benötigen.

Fazit

Marcel Häußler ist ein absoluter Glücksfall für die deutsche Krimilandschaft. Seine Kant-Romane gehören mit zu den besten Krimi-Reihen der letzten Jahre. Unverständlich bleibt, warum der Autor immer noch eher unbekannt ist. Dies sollte sich mit dem erneut beeindruckenden dritten Band ändern. Darüber hinaus schreien die Fälle der Münchener Mordkommission regelrecht nach einer Verfilmung.

Kant und das Leben nach dem Tod

Marcel Häußler, Heyne

Kant und das Leben nach dem Tod

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