Kannibal. Jagdrausch

  • Benevento
  • Erschienen: Februar 2023
  • 1
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Sabine Bongenberg
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2023

Man kann nicht alles können

Die beiden Privatermittler Janina Funke und Bastian Becker werden eingeschaltet, als die Polizei mitten in Berlin einen gammeligen Koffer findet. Der Inhalt: Ein altes Märchenbuch, das sicherlich bei niemandem graue Haare verursachen würde und eine große Anzahl menschlicher Knochen, von denen offensichtlich das Fleisch vor nicht allzu langer Zeit säuberlich abgeschabt wurde. Nicht enthalten ist auch der Kopf des Aufgefundenen und so ist nicht klar, ob hier tatsächlich ein Mord vorliegt oder sich ein Spaßvogel einen bizarren Scherz erlaubt hat. Becker und Funke nehmen im Auftrag der Polizei ihre Ermittlungen auf und alsbald scheint sich zu bewahrheiten, dass es in Berlin nicht nur vegan lebende Menschen gibt, sondern einige scheinbar auch einen unbändigen Appetit auf ihre Mitbürger entwickelt haben. Das Ermittlerduo taucht bei seinen Untersuchungen tief in Foren ein, die sich dem Kannibalismus verschrieben haben und offensichtlich nicht allzu wählerisch sind, was sich auf ihrem Teller abspielen könnte.

"Bastian, wir arbeiten einfach schon lange nicht mehr wirklich...nutzbringend"

Mark Benecke hat sich als sympathischer Forensiker, der zu allem und zu vielem eloquent und witzig seine Meinung vertreten kann, einen Namen gemacht. Dieser Mann schafft es sogar, den ekligen Krabbeltierchen, die die sicherlich nützliche Aufgabe haben, den verstorbenen Körper wieder dem biologischen Kreislauf zurückzugeben, einen gewissen Charme zu verleihen. Benecke schwadroniert spannend und mitreißend über sein Fachgebiet. Aber - kann er auch Roman? Die Antwort ist schnell gegeben - leider nicht wirklich.

In seinem zweiten Roman um das Ermittlerduo Funke und Becker lässt er diese nach dem Fund eines Knochenhaufens ermitteln. Regelmäßig stellte ich mir aber die Frage: Ja, wonach suchen sie denn? Nach jemandem, der die Totenruhe stört und gleichzeitig ein Buch verklappt? Natürlich ist dem genialen aber unglücklicherweise von Fieberkrämpfen geschüttelten Becker dennoch klar, dass die Knochen nur auf ein Kapitalverbrechen - und nicht auf ein fehlendes Exponat aus der Sammlung des Robert-Koch-Instituts - hinweisen können und stürzt sich ohne Sinn und Verstand in seine Ermittlungen.

Nicht ganz unerwartet kommt dabei auch der Punkt des Kannibalismus zum Tragen und auch wenn Benecke dazu fachlich interessante Beiträge leisten kann, sind die leider zu kurz um die Mankos des Romans wettzumachen. Mich störte so auch einiges: So zuallererst die Frage, aus welchem Grund die Polizei Privatermittler beauftragen könnte, dachte ich doch immer, die Suche nach den bösen Buben wäre das ureigene Metier der Ordnungshüter. Diese müssen sich dann eben entscheiden - Anfangsverdacht Verbrechen und es wird untersucht - kein Anfangsverdacht und es wird nicht untersucht, von niemandem. Oder zumindest zahlt die Polizei für keinen, der ermittelt. Ob Bastian Becker für seine dilettantischen Untersuchungen tatsächlich letztendlich das Geld wert wäre, sei dahingestellt, immerhin schafft er es ungewollt, tatsächlich in den Focus der "alternativ agierenden Ernährungsgruppe" zu gelangen und kann spannende Momente erschaffen, als er auch noch versucht, sein Rumgehampel zu vertuschen.

Einige leben gefährlich...

Natürlich ist ein Held auch nur so gut, wie der Bösewicht, der ihm gegenübersteht. Von Anfang an rückt da ein "schmächtiger Mann" ganz gewaltig ins Blickfeld. Warum aber über den "schmächtigen Mann" in jedem Kapitel, das ihn betrifft, gefühlt in jedem Satz einmal ausgesagt werden musste, dass er eben "schmächtig" ist, das erschloss sich mir nicht, nervte aber ziemlich. Hier verstand ich auch nicht, warum hier kein Lektor - freundlich aber bestimmt - eingegriffen hatte. Wenn wir einmal dabei sind, generell fielen mir grammatische Fehler im Buch auf und auch in der Namensgebung eines eigenwilligen Familienangehörigen schien man zwischendurch mal die Meinung geändert zu haben, ohne dass das einem Korrekturleser auffiel. 

Keine Überraschung war letztendlich auch, wer sich hinter dem "Fleischliebhaber" verbarg, wenn auch sicher das letzte Aussortieren möglicher Verdächtiger im realen Leben für eine Entlassungswelle bei der Polizei gesorgt hätte. Witzig fand ich aber die Erklärung, warum eines der Opfer sein früher Ende gefunden hatte und hoffe, dass ein ähnliches Schicksal nicht auch für Kritikerinnen vorgesehen ist, die schließlich auch nur ihren Job tun.

Fazit

Ein spannendes Thema einer dunklen Welt trifft bei vermutlich bei vielen auf ein gewisses morbides Interesse. Dennoch sollte ein Roman, der um dieses Thema gelegt ist, schon ein bisschen Fleisch an den Knochen haben.

Kannibal. Jagdrausch

Mark Benecke, Benevento

Kannibal. Jagdrausch

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