Hier wird jeder mal verdächtigt
Vor 10 Jahren erlebte Hannah in Oxford das pure Grauen: Sie fand ihre Freundin und Mitbewohnerin April brutal ermordet in ihrer pittoresken Collegewohnung. Aufgrund ihrer Zeugenaussage wurde ein Mann verurteilt. Danach war nichts mehr wie davor. Hannah schmiss das Studium, zog nach Edinburgh und heiratete Aprils Freund damals. Doch jetzt kommen ihr Zweifel – hat sie den falschen beschuldigt? Und wenn ja, wer war der wirkliche Täter? Hannah beginnt alles und jeden zu hinterfragen und bringt damit sich und ihr ungeborenes Kind in Gefahr.
Autorin mit einer Mission
Ruth Ware hat sich nach dem Studium schon in einigen Professionen versucht – gelandet ist sie als Schriftstellerin von Spannungsliteratur in diversen Bestsellerlisten und in so manchem Buchregal weltweit. Ihre Bücher werden als Thriller bezeichnet, die vor allem durch die psychologische Komponente im Geschehen punkten sollen. Ware möchte das Menschliche ausloten und mit dessen Abgründen für Spannung sorgen. So auch in ihrem inzwischen siebten in Deutschland erschienenen Buch.
Ein klassischer Whodunit
Als Thriller kann man „Das College“ wohl kaum bezeichnen. Dafür fehlen ihm die typischen Merkmale. Jedoch ist es ein klassischer Whodunit. Ware arbeitet sich durch die Clique rund um Hannah und April, wobei jeder ganz typisch einmal verdächtigt wird. Leider macht sie das aber so unspektakulär, dass man sofort weiß – den Letzten beißen die Hunde oder besser, wer übrig bleibt ist es dann wohl gewesen. Das nimmt dem Geschehen jede Spannung. Da hilft der simpel verfasste Text mit in „Davor“ und „Danach“ eingeteilten einzelnen Kapiteln auch nicht mehr viel. Krampfhaft produzierte Wendungen und ein allumfassendes Bad in Klischees tun ihr Übriges.
Klischees beherrschen das Buch
Schon Oxford als Handlungsort wird in den üblichen Klischees beschrieben. Vom Setting über die Gebräuche bis hin zu diversen Gerüchten über manipulierte Zulassungen wird hier alles aufgefahren was man mit der altehrwürdigen Universitätsstadt verbindet. Und auch bei den Freunden greift Ware so richtig tief in die Klischeekiste. It-Girl April ist reich, gutaussehend und hat zudem, ganz stereotypisch, noch Hirn im hübschen Köpfchen, während Hannah, als graue Maus aus ärmlicherem Elternhaus, das genaue Gegenteil ist. Ergänzt wird der Freundschaftskreis natürlich mit dem Schönling, der Ehrgeizigen, dem Weltverbesserer und natürlich dem Loser. Hier verharrt alles an der Oberfläche, ohne wirklich tiefgängige Figurenzeichnung.
Was wurde aus den Freunden?
Die Freunde von damals haben alle unter dem Mord an April gelitten, doch jeder ging anders mit seinem Schmerz um. Hannah hat sich völlig aus der Welt der Colleges zurückgezogen und leidet nach 10 Jahren noch immer an der Angst wiedererkannt zu werden. Das ist vielleicht zu verstehen, grenzt aber schon ziemlich an Paranoia. Dennoch ist gerade der Werdegang der Einzelnen aus der Clique das Interessanteste an dem Buch – und schon sind wir beim psychologischen Aspekt, den die Autorin so betont haben will. Selbst der Grund für Aprils Tod spielt in diese Kategorie, wird sie doch vorher noch, und das kaum verwunderlich, als bösartiges Biest entlarvt, das gerne Rache nimmt. Die Darstellung der Freunde hätte noch so manchen Mangel ausgleichen können, doch auch hier driftet die Autorin zu sehr ins Stereotype ab und verweigert den Figuren jeden komplizierteren Charakterzug.
Fazit
Kein Thriller, aber ein klassischer Whodunit, dem es allerdings an differenzierten Charakteren und spannender Handlung mangelt. Zudem bemüht Ruth Ware zu viele Klischees, wodurch sich „Das College“ nicht aus der Masse der Spannungsliteratur abhebt.
Ruth Ware, dtv
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