Die Stunde der Hyänen
- Suhrkamp
- Erschienen: November 2022
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Ein rasanter Großstadtkrimi
In Berlin Kreuzberg geht ein Feuerteufel um: nachts brennen Autos, eine Bürgerwehr patrouilliert durch die Straßen, die Gemüter der Anwohner sind erhitzt: je nach Gesinnung werden Ausländer, Linke oder Rechte beschuldigt, hinter den Brandstiftungen zu stecken. In dieser aufgeheizten Stimmung kreuzen sich schicksalshaft die Wege von mehreren Menschen.
Die Stunde der Hyänen – tolle Milieuschilderung und lebendige Charaktere
Jette ist eine junge Zeitungsreporterin mit der Gabe, jedes Gesicht wiederzuerkennen; die ehrgeizige Polizistin Romina will ihren männlichen Kollegen beim Branddezernat beweisen, dass sie was drauf hat; der obdachlose Pole Radek, der bei einem der Brände fast ums Leben kommt, fühlt sich wiedergeboren als Messias und Postzusteller-Azubi Maurice lebt in einer streng religiösen Sekte und kämpft mit seinem verbotenen sexuellen Verlangen.
Sie sind gleichzeitig Täter und Opfer, Jäger und Gejagte. Alle von ihnen sind für eine Überraschung gut. Der Satan steckt nicht nur bei den Anderen, wie es den Sektenmitglieder immer wieder vorgebet wird, er ist auch unter ihnen und sogar in ihnen selbst.
Die Figuren in „Die Stunde der Hyänen“ sind glaubwürdig und tiefgründig, das gilt auch für die Nebenfiguren und selbst die „Statisten“.
Der Thriller überzeugt auch als Milieustudie. Man merkt, dass der Autor die Szene kennt, die er beschreibt. Johannes Groschupf lässt mit seinen Worten den Kreuzberger Kiez lebendig werden: mit seinen alteingesessenen „Normalos“, den Partytouristen, den Obdachlosen, den Alternativen, den Gescheiterten, den Spinnern, den Wutbürgern und der linken Szene. Eine bunte, aber auch explosive Mix.
Die Stunde der Hyänen – vom Jäger zum Gejagten
Mit schnörkelloser Sprache und auf nur 260 Seiten bringt Johannes Gropschupf viele Themen und mehrere Erzählstränge unter, die er gekonnt miteinander verknüpft und zusammenlaufen lässt. Und dazu überrascht „Die Stunde der Hyänen“ mit gelungenen Wendungen. Bei aller Härte streut er auch eine Prise Humor ein und bringt aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen unter.
Johannes Groschupf ist ein guter Erzähler und versteht sein Handwerk. Nicht umsonst sind schon seine vorherigen Krimis ausgezeichnet worden: Für „Berlin Prepper“ bekam er 2019 den Deutschen Krimipreis, „Berlin Heat“ belegte 2021 den 2. Platz.
In „Die Stunde der Hyänen“ geht um Brandstiftung, um Diskriminierung und um religiöse Verblendung. Aber in erster Linie geht es um Frauen, die der Gewalt von Männern ausgesetzt sind, verbal und/oder körperlich: im Namen der Religion, bei häuslicher Gewalt, durch Mobbing im Beruf. Aber Johannes Groschupf zeigt auch ihre Stärke, die durch weibliche Solidarität entsteht. Am Ende sind es die Frauen, die den Männern ihr „blaues Wunder“ bescheren.
„Schreib doch mal was über Hyänen“, sagte sie. „Alle weiblichen Tiere sind den Männchen überlegen… Sie töten ihre Beute nicht einfach, sondern fressen sie in vollem Lauf von hinten auf, noch während das Opfer flieht.“
Fazit
Mit „Die Stunde der Hyänen“ hat Johannes Groschupf einen atmosphärischen, rasanten Großstadtthriller mit gelungenen Wendungen geschrieben. Ein großes Lesevergnügen - nicht nur für Berlinkenner*innen und -fans.
Johannes Groschupf, Suhrkamp
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