Kafka und der Tote am Seil
- Penhaligon
- Erschienen: November 2022
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Ein durch und durch kafkaesker Krimi
Laut dem Penhaligon-Verlag liebt Autor Jon Steinhagen „seine Heimatstadt Chicago, alte Schwarz-Weiß-Filme mit Cary Grant und sein hundert Jahre altes Klavier“. Doch er scheint auch Franz Kafka zu verehren, denn dieser ist der unumstrittene Protagonist in Steinhagens Debüt-Roman.
Eine Mordserie erschüttert Wien
1924 werden in Wien scheinbar erhängte Tote gefunden, die aber weder am Seil baumeln, noch ein solches um den Hals tragen. Ein „Hängekünstler“ aus einem örtlichen Varieté kommt schnell in den Verdacht der Mörder zu sein. Ausgerechnet Franz Kafka, der eigentlich dem Tod geweiht auf seinem Sterbebett liegt, wird von einer mysteriösen Agentur beauftragt der Sache nachzugehen. Was er herausfindet, ist so absurd, dass es nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Kafka und eine Kakerlake suchen nach dem Mörder
In den Innenseiten des Buchdeckels findet sich die Erzählung „Die Verwandlung“ von Franz Kafka, welche jeder, der sie noch nicht kennt vor der Lektüre des eigentlichen Buches lesen sollte, denn Gregor Samsa, in die Kakerlake verwandelt, spielt dort durchweg eine beachtliche Rolle. Überhaupt hat Steinhagen nahezu alle bedeutenden Werke Kafkas in irgendeiner Form einfließen lassen. So findet man Anspielungen auf z.B. „Das Schloss“, „Der Process“, „Die Prüfung“ und „Das Urteil“. Daneben spielt die Religion genauso eine Rolle, wie die Beziehungen Kafkas zu Dora Diamant und seinem Vater. Sogar die Namen der Figuren sind aus der Biografie entnommen oder kafkaesk-grotesk, so heißt der Hängekünstler heißt z.B. „Henker“. Steinhagen hat einen Rundumschlag durch Kafkas Sein gewagt und diesen mit recht absurden Mordfällen kombiniert. Das ist ihm so gut gelungen, dass die über 400 Seiten viel zu schnell gelesen sind. Allerdings sollte man ein wenig mit Kafka und seinem Werk bekannt sein, sonst dürfte so manche Anspielung unverstanden und einige Passagen unverständlich sein.
Humor und Spannung sind garantiert
Zugegeben – man sollte schon Kafka-Fan sein, um dieses Buch wirklich genießen zu können. Hier ist alles bizarr und unrealistisch - der Plot könnte aus Kafkas Feder selbst kommen. Die Dialoge sind manchmal fast sinnentleert, drehen sich im Kreis; die Figuren mindestens als pittoresk zu bezeichnen und der Inhalt so absurd und surreal, dass man nach Logik und Realitätsnähe gar nicht zu suchen braucht.
Dennoch verliert der Roman nie an Spannung und lädt zum Mitraten ein. Es gibt sogar den ein oder anderen Moment, in dem man sich ein Lachen oder Schmunzeln nicht verkneifen kann, denn Steinhagen versteht es durchaus seine Geschichte nicht nur packend, sondern sehr humorvoll zu schreiben. Schon die Vorstellung einer Kakerlake, mit manchmal viel zu vielen Armen, als Krankenpfleger oder Autofahrer ist einfach einmalig gut. Was dann als Lösung herauskommt, ist genauso absurd, wie die ganze Geschichte, passt aber bestens und wird nur noch durch das endgültige Ende getoppt, das jedem Kafka-Fan einfach nur Spaß machen wird.
Fazit
An diesem Buch werden sich die Geister scheiden. Es ist eindeutig ein Krimi für eingefleischte Kafka-Fans und solche, die es werden wollen. Jon Steinhagen hat sich ganz Franz Kafka verschrieben und damit einen spannenden, humorvollen, aber enorm absurden Krimi geschaffen. Wer mit Kafka und seinem Werk wenig anzufangen weiß, dürfte von diesem Krimi allerdings enttäuscht sein.
John Steinhagen, Penhaligon
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