Das dunkle Lied der Toten
- Knaur
- Erschienen: Dezember 2022
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Nach dem Gulag folgt die Serienmörderjagd
Winter 1953. In Leningrad steht Major Oleg Nikitin vor einem Problem. Bereits zum zweiten Mal wurde ein Mann durch zwei Kopfschüsse getötet. Keine Spuren, keine Zeugen, lediglich ein wertvolles Goldmedaillon am Tatort sowie ein Zettel mit einem italienischen Vers, wo eigentlich die Zunge des Opfers sein sollte. Nikitin, einst Verhörspezialist beim Ministerium für Staatssicherheit MGB, arbeitet inzwischen für den Militärgeheimdienst; sein Chef ist niemand Geringerer wie Verteidigungsminister Pletnjow. Eile ist angesagt, denn die beiden Toten eint, dass sie während des Krieges in der 8. Gardearmee dienten, jener Einheit, die 1945 in Berlin einmarschierte. Nikitin ist jedoch kein ausgebildeter Ermittler und so ist er ausgerechnet auf die Hilfe jenes Mannes angewiesen, dem er einst bei einem Verhör zwei Finger amputierte und ihm damit seine große Leidenschaft, das Violinspiel, ein für alle Mal unmöglich machte: Revol Rossel.
Rossel, vormals als Leutnant bei der Volksmiliz tätig, sitzt seit nunmehr zehn Monaten im Straflager Igarka, was er Nikitin zu verdanken hat. Im tiefen Sibirien bei unter dreißig Grad soll mit einer schweren Dampfwalze der Weg für eine über tausend Kilometer lange Eisenbahnstrecke geebnet werden. Die Bedingungen sind unmenschlich, aber wird Rossel seinem alten Widersacher, den er abgrundtief hasst, helfen? Notgedrungen, denn ein neuer Gefangener erkennt Rossel und schwärzt diesen als früheren Polizisten bei den Mitgefangenen an.
Kaum wieder in Leningrad geschieht bereits der nächste Mord. Erste Spuren führen zu den Werken von Machiavelli und zu Wagners Götterdämmerung. In Wahrheit geht es jedoch um viel mehr, nämlich um die mächtigste Bombe aller Zeiten und damit einhergehend um die mögliche Nachfolge des alternden Stalin, bei der sich Pletnjow und Beria, Chef der Geheimdienste, verfeindet gegenüberstehen.
Zweiter Teil der Leningrad-Trilogie
Nach „Der kalte Glanz der Newa“ nun also „Das dunkle Lied der Toten“, in dem sich die einstigen Widersacher Revol Rossel und Oleg Nikitin erneut begegnen. Bis die Beiden erneut aufeinandertreffen vergeht allerdings gut ein Viertel des Romans, denn neben dem tödlichen Geschehen in Leningrad bemüht sich das Autorenduo Chris Rickaby und Barney Thompson alias Ben Creed redlich, die unfassbaren Zustände in Igarka, einem Lager des Gulag, darzustellen. Ein erster Verdächtiger ist bald ausgemacht, denn Rossels früherem Unteroffizier Gratschew, der im Hauptlager Workuta interniert war, gelang die Flucht. Gratschew war ebenfalls in der 8. Armee und sogar im gleichen Regiment wie die ersten beiden Opfer.
Wer sich für das Leben, wenn man es denn so nennen will, in den Arbeitslagern des Stalinismus interessiert, findet hier eindringliches Lesematerial. Zu dem Lager Workuta sei an dieser Stelle auch der Roman „Der Geiger“ von Mechthild Borrmann empfohlen. Zudem stellt Ben Creed die Arbeit der Ermittler in einer Diktatur sehr gelungen vor, in der man selten weiß, auf wen man sich wirklich verlassen kann. GRU (Militärgeheimdienst) und MGB (Staatssicherheit) stehen sich so verbittert gegenüber wie deren Chefs Pletnjow und Beria, wobei letzterer bereits im ersten Fall eine wichtige Rolle spielte. Die Suche nach Informationen für die mächtigste Bombe der Welt, führt die beiden Protagonisten kurzzeitig nach Deutschland, wo sie unter anderem im Gefängnis von Spandau auf Albert Speer treffen.
Fazit
Eine spannende und intensive Fortsetzung, deren Vorgänger man kennen sollte. Wer sich für die Nachkriegsgeschichte, hier besonders Russland, interessiert und für Fans von Autoren wie beispielsweise Martin Cruz Smith, Sam Eastland oder Tim Rob Smith eine klare Empfehlung!
Ben Creed, Knaur
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