Das Fallbeil: Sarah Conti ermittelt
- Kein & Aber
- Erschienen: Januar 2023
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Wenn der Roman selbst zum Kunstwerk wird.
Die Züricher Kriminalpolizistin Sarah Conti und ihre Kollegen bekommen es diesmal mit einem bizarren Mordfall in der Kunstszene zu tun. Nach der Vernissage einer Ausstellung über die Kunst nordkoreanischer Dissidenten wird im neuen Chipperfieldbau des Zürcher Kunsthauses die Leiche einer Frau entdeckt. Die Mordwaffe: ein provokantes Kunstwerk. Das Mordopfer: eine scharfzüngige Kulturjournalistin, die sich mit ihrer Arbeit mehr Feinde als Freunde machte. Die Tat: eine beinahe künstlerisch inszenierte Hinrichtung. Je tiefer Sarah Conti in das Labyrinth der möglichen Täter eintaucht, desto verwirrender werden die Spuren. Auf der Suche nach dem Mörder gerät die Kommissarin in eine Welt, in der Geld und Schweigen unheilige Allianzen eingehen.
Ein literarischer Künstler
Über das Leben des Autors Fabio Lanz war lange Zeit wenig bekannt - außer, dass er ein Meister des kunstvollen Kriminalromans ist. Dies hat der Schweizer bereits mit dem ersten Band seiner Sarah-Conti-Reihe eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nun wurde das Geheimnis um seine Person gelüftet: Hinter der Pseudonym steckt kein Geringerer als Martin Meyer, seines Zeichens Schweizer Journalist, Publizist, Essayist und Buchautor sowie bis 2015 Feuilletonchef der „Neuen Züricher Zeitung“. Erneut erweist sich Lanz mit seinem aktuellen Roman nicht nur als literarischer Stilist, der mit einer kunstvollen, dennoch klaren und ausdrucksstarken Sprache beeindruckt, sondern auch als ausgewiesener Kenner auf den Gebieten der Musik, Literatur, Philosophie und Kultur im Allgemeinen. Dies verleiht dem Roman nicht nur eine ganz besondere Strahlkraft, sondern macht ihn selber zu einem Kunstwerk. Ja, es gibt temporeichere Kriminalromane, die mit mehr Action und Dynamik daher kommen. Dagegen besitzen die Erzählungen von Fabio Lanz eine große literarische Qualität, die heute sehr selten ist. Das mag dem ein oder anderen Leser nicht behagen, hebt den Roman aber deutlich aus dem kriminalistischen Einerlei hinaus - und das ist gut so.
Mehr als ein Kriminalroman
Lanz' Romanfiguren, die im Kontext mit der Kunstszene stehen, erinnern in ihrer mitunter schon grotesken Darstellung an die Erzählungen Dürrenmatts, wirken in ihrem Auftreten so surrealistisch wie etwa die Figuren in Max Ernsts Collagenroman „Une semaine de bonté“ oder ähneln der genussfreudigen Wiener Gesellschaft in Schnitzlers „Traumnovelle“. Auch im Roman des Schweizer Autors Fabio Lanz geht es um Liebe, Eifersucht und das Extravagante. Die Figuren dieser mitunter bizarren „Kunst-Gesellschaft“ leben getreu den Worten Molières: „Je prends mon bien où le trouve“.
Man sollte sich Zeit für den Roman nehmen, vielleicht im Hintergrund die Jazzmusik von Dave Brubeck, Diana Krall, Billie Holiday oder Miles Davies hören, der auch die Protagonistin Sarah Conti abends lauscht. Die Lieder ziehen sich wie ein Soundtrack durch den Roman. Die 40-jährige Ermittlerin ist äußerst kultiviert. Genuss und ein privater Rückzugsort sind ihr wichtig. Behaglichkeit beginnt im Kleinsten, das hat Sarah von ihrem Vater gelernt. Und sie braucht dies, um nachzudenken und Abstand zu gewinnen oder an ihrem „Falltagebuch“ zu arbeiten. Conti ist eine etwas andere Ermittlerin, nicht nur, weil sie „Don Quijote“ und „Madame Bouvary“ liest - und die beiden Romane in gewisser Weise sinnbildlich für Sarah und den aktuellen Fall stehen. Sie lebt nach Innen, für sich, hegt Selbstzweifel, will den Täter nicht nur fassen, sondern ihn verstehen. Sie muss wieder Ordnung schaffen in einer Welt, die vom Bösen bedroht wird. Doch sowohl böse als auch gute Menschen bestehen in diesem Roman aus Grautönen, sind keine Schwarz-Weiß-Malerei. Das macht die Suche nach dem Täter für Conti umso schwieriger.
Ein Mord als Fanal
Besonders ist auch der aktuelle Fall der Kriminalpolizistin und ihres Teams, der in der Züricher Kunstszene spielt. Die Tat ist nicht einfach ein Mord, sie ist ein Fanal, eine Inszenierung. „Jede Stadt hat die Morde, die sie verdient“, heißt es im Roman. „Mochte es für die Mörder von Zürich tausend Gründe geben, jemanden kaltzumachen, so bestand der Hergang der Tat nicht selten aus einer Mischung von Verstohlenheit, Heuchelei und Kalkül.“ Für Sarah wird dieses Muster zum Schlüssel, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Dieser meint schlauer als die Ermittlerin zu sein und sucht sich Conti bewusst als Gegnerin. Auch das gehört zu seinem Kunstwerk. Die Ermittlerin muss einen klaren Kopf behalten, um den zahlreichen Täuschungen nicht zu unterliegen.
Fazit
Fabio Lanz fesselt von Beginn an mit seinem neuen Kriminalroman. Dabei ist die Erzählung weit mehr als reine Spannungsliteratur. Jede Seite ist ein Genuss, jede künstlerische Fußnote ein Gewinn, jeder philosophische Einschub eine Bereicherung. Dazu gesellt sich mit Sarah Conti eine intelligente, smarte Ermittlerin, die ihresgleichen sucht. Nicht zuletzt überzeugt „Das Fallbeil“ mit einer spannenden, kurzweiligen Handlung und einem eleganten Erzählstil. Wahrlich ein literarischer Genuss.
Fabio Lanz, Kein & Aber
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