James Bond - Mit der Absicht zu töten

  • Cross Cult
  • Erschienen: November 2022
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Michael Drewniok
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2022

Mission ins Herz der Finsternis

Nachdem der in der Sowjetunion gehirngewaschene britische Agent James Bond ‚geheilt‘ und wieder in Ehren in den Secret Service aufgenommen wurde, will Geheimdienstchef „M“ das Unwissen der Gegenseite nutzen, denn eine neue Terrorgruppe namens „Stalnaja Ruka“ plant eine Attacke, die das Ende des verhassten Westens einläuten soll.

Zu den Verschwörern gehört Oberst Boris, der 007 brutal zur Mordmaschine formen wollte. Auch sonst sind üble Geheimdienstschurken an Bord, weshalb Bond vor Ort in Erfahrung bringen soll, was man im Osten vorhat. Dies ist ein Selbstmordunternehmen, denn man kann nur auf Boris‘ Neugier und Dünkel setzen: Er wird auf jeden Fall überprüfen, ob 007 weiterhin sein Werkzeug ist, und ihn dann hoffentlich dort einsetzen, wo der große Coup geplant ist.

Die Sowjets beißen an. Sie befreien Bond aus britischer ‚Gefangenschaft‘ und schaffen ihn nach Moskau. Dort nimmt ihn Boris erbarmungslos unter die Lupe, glaubt aber dann an seine weiterhin bestehende Macht über Bonds Willen und empfiehlt ihn für das aktuelle Projekt der „Stalnaja Ruka“.

Bond bleibt unter strenger Bewachung. Für direkte Kontrolle soll Katja Leonova sorgen. Sie hatte Boris geholfen, Bond in einen Sowjet-Sklaven zu verwandeln. Obwohl man ihn ständig beobachtet und bespitzelt, muss 007 herausfinden, was die „Stalnaja Ruka“ plant, und sein Wissen irgendwie gen Westen übermitteln; auch die anschließende Flucht aus der UdSSR wäre ganz im Sinn des von Misstrauen und gefährlichen Zwischenfällen bedrohten Doppelagenten …

Fünf Jahrzehnte später: noch einmal Bond 1.0

„Mit der Absicht zu töten“ spielt kurz nach dem zwölften und letzten von Ian Fleming verfassten 007-Roman „The Man with the Golden Gun“ (dt. „Der Mann mit dem goldenen Colt“) im Jahr 1964 und vor dem Sturz des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow (der hier eine Gastrolle spielt). Wichtig für das Verständnis des Geschehens ist die Kenntnis des elften Bond-Romans „You Only Life Twice“ (1964; dt. „Du lebst nur zweimal“), in dem 007 in die UdSSR verschleppt wird, wo ihn Oberst Boris jener Gehirnwäsche unterzieht, die zum Dreh- und Angelpunkt der geschilderten Ereignisse wird.

Nach „Trigger Mortis - Der Finger Gottes“ (2015) und „Ewig und ein Tag“ (2018) schließt Anthony Horowitz mit seinem dritten 007-Roman ‚seine‘ Bond-Trilogie ab. Es handelt sich um Thriller, die inhaltlich und formal explizit an die von Fleming geschriebenen Romane anschließen sollen. Nach dessen frühen Tod und den überaus erfolgreichen 007-Filmen wurden seit den 1970er Jahren ‚neue‘ Bond-Abenteuer veröffentlicht. Sie orientierten sich an den Filmen und ließen einen beinharten Agenten zu einem Weltenbummler mutieren, der immer fantastischere = unrealistischere Super-Schurken ausschaltete.

Horowitz sollte den ‚echten‘ James Bond aufleben lassen. Dafür durfte er alte Klischees wiederbeleben; nur seine Haltung zu Frauen musste 007 teilweise revidieren, weshalb Horowitz hier und da „#MeToo“-taugliche Passagen einschiebt, in denen Bond über sein Frauenbild nachdenkt und sich selbstkritisch als bindungsunfähiges Alpha-Männchen outet, das den Adrenalinrausch der Todesgefahr jeder Zweierbeziehung vorzieht. Dieses ‚Geständnis‘ soll offenbar schockieren, wirkt aber vor allem aufgesetzt.

Im Reich des & der Bösen

Dieses Mal gerät Bond an die ebenso (und selbstverständlich) schöne wie zunächst stereotyp kommunistenkalte Katja Leonova, die sich erwartungsgemäß als von Staatswegen verbogene, liebesbedürfte Frau entpuppt, die in 007s starken Armen auftaut. Katja soll für eine Melodramatik sorgen, die typisch für den Agententhriller der 1960er Jahre war, wenn dieser im „Ostblock“ spielte: Wer sich zu weit aus dem Schneckenhaus wagte, nahm ein tragisches Ende. Horowitz übernimmt das, hat aber schon vorher das Interesse an Katja Leonova verloren, die deshalb nicht traurig, sondern eher ulkig-theatralisch aus der Handlung ausschert.

Ganz auf Flemings Linie ist Horowitz, wenn er sich eine UdSSR aus dem Hirn wringt, die eine Hölle auf Erden darstellt, obwohl die Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt liegt - auch dies ein Symbol für die Unmenschlichkeit des Sowjet-Regimes, das Horowitz wie Fleming weniger einsetzt als malträtiert. Die UdSSR ist eine Ausgeburt des Teufels, eine Diktatur, gegen die Nazi-Deutschland wie ein Kindergarten wirkt. Gefühllose Apparatschiks missbrauchen systematisch ihre Macht, um wie mittelalterliche Kleinkönige ihre Pfründen zu verteidigen. Man belügt die Bürger, die sich angstvoll, grau und unterdrückt dem allgegenwärtigen Terror beugen, und tückt gegen hochrangige ‚Parteigenossen‘, da der typische Sowjet-Funktionär ein reueloser Verbrecher ist.

Moskau und Ost-Berlin schildert Horowitz als Ausgeburten kommunistischen Kontrollwahns. Er orientiert sich an alten Fleming-Berichten und übernahm einige Passagen für seinen Roman. In den 1930er Jahren war der spätere Erfolgsautor in Moskau als Journalist Zeuge einiger Schauprozesse. 1960 besuchte Fleming im Rahmen seiner Reportage-Reihe „Thrilling Cities“ auch das geteilte Berlin. Aus seiner Ablehnung des „real existierenden Sozialismus‘“ machte er dabei keinen Hehl, was der zeitgenössischen Haltung seiner (westlichen) Auftraggeber entsprach.

Auf die Spitze getrieben

Da die Sowjet-Bosheit realiter eher banal war, sorgte Fleming für einen ‚Verstärker‘ und der unterstellte dem russischen Geheimdienst die Bereitschaft und die Fähigkeit zu beinahe übernatürlichen Schurkenstreichen. Mehrfach setzte sich die (fiktive) Abteilung SMERSH (Kurzform für „Smert Schpionam“ = „Tod den Spionen“) auf Bonds Spuren. Für „Mit der Absicht zu töten“ schuf Horowitz die sogar noch üblere Gruppe „Stalnaja Ruka“ (= „Stahlhand“) als wahres Sammelbecken fanatischer und irrwitziger Mörder im Dienst der „Partei“.

Der Autor legt sich mächtig ins Zeug, um uns diese Schar gruselig ans Herz zu legen. Vor allem „Oberst Boris“ sorgt für Schrecken - ein hochintelligenter, aber grausamer Mann, der offensichtlich nach dem Vorbild des Nazi-‚Doktors‘ Mengele geformt wurde und Menschen vor allem als Versuchskaninchen betrachtet. Boris steht stellvertretend für die in den 1960er Jahren herrschende Furcht, man könne Gehirne buchstäblich ‚programmieren‘, um auf diese Weise Attentäter, die von ihrer Mission nichts ahnten, auf gegnerische Entscheidungsträger ansetzen.

Was in der Realität nie funktionierte, treibt Horowitz auf die Spitze. Ausgiebig wird Bond durch die Mangel eines dem Frankenstein-Universum entliehenen Labors gedreht. Obwohl er widersteht, muss er sich als Hirnsklave ausgeben, während er im Feindesland unter Dauerbeobachtung steht - für den Kommunistenhasser Bond eine echte Herausforderung, der er als überzeugter Spross einer ‚freien‘ Gesellschaft gewachsen ist, obwohl er wie üblich ordentlich einstecken muss, bis er dem Ost-Pack einmal mehr den Garaus gemacht hat.

Fazit

Letzter Band einer Trilogie, die James Bond zurück in die Ära des Kalten Krieges versetzt, wo er gegen seelenlose Sowjet-Teufel antreten muss: Der Tenor der Original-Romane wird meist getroffen, kann aber wegen der allzu knalligen Bosheit der Gegner nur noch nostalgischen Schauer wecken: angestrengt altmodisch, aber unterhaltsam.

James Bond - Mit der Absicht zu töten

Anthony Horowitz, Cross Cult

James Bond - Mit der Absicht zu töten

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