Echo der Gewalt
- Suhrkamp
- Erschienen: Juni 2023
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Schwarze Superheldin
Die Hauptfigur hat eine Vergangenheit voller Gewalt durch Männer hinter sich. Als Aninyeh ist sie als Tochter eines Häuptlings glücklich in einem Dorf in Ghana aufgewachsen, bevor sie in einen Strudel aus Gewalt und Missbrauch gerissen wurde. Als Nena hat sie in Großbritannien eine neue Identität angenommen, als Echo lebt und arbeitet sie als Auftragskillerin für das afrikanische Wirtschaftssyndikat „The Tribe“.
Ihre traumatische Vergangenheit hat bei ihr seelische und körperliche Spuren hinterlassen. Nach Außen gibt sie sich knallhart, Männer machen ihr keine Angst mehr, sie wird mit allen fertig. Als sie einen Anwalt erschießen soll und entdeckt, dass ihre Peiniger von früher noch leben und sogar dem Tribe beitreten wollen, verweigert Nena zum ersten Mal den Gehorsam. Sie will Rache.
„Echo der Gewalt“: Eine schwarze Superwoman
Sie war kein vierzehnjähriges Mädchen mehr das sich bei der kleinsten Bewegung von Männern, die sie bedrohten duckte. Sie war eine Frau von 31 Jahren mit jeder Menge Morde auf dem Kerbholz.
In Comics gibt es schon lange männliche Superhelden, inzwischen sind auch weibliche dazugekommen. Andere Ethnien existierten lange nicht in Film und Literatur. Erst vor wenigen Jahren tauchten schwarze Superhelden und -heldinnen auf, auf der Leinwand zum Beispiel in „Black Panther“ und „The Woman King“. In der Literatur füllt jetzt Yasmin Angoes „Echo der Gewalt“ die Lücke und bietet schwarzen Frauen und Mädchen eine Identifikationsfigur. Das erklärt vielleicht auch das viele Lob, dass Angoe für ihr Debüt erfahren hat.
Welche Frau, egal welcher Hautfarbe, träumt nicht davon, ohne Angst vor Gewalt durch Männer durchs Leben zu gehen? Dumme Sprüche furchtlos zu parieren, körperliche Gewalt mit gleicher Münze zurück zu zahlen? Yasmin Angoe hat eine solche Heldin geschaffen. Frauensolidarität
„Echo der Gewalt“: Gespaltene Heldin und zwiespältige Gewalt
Die Namen, die sich die Protagonistin im „Danach“ gibt, sind symbolträchtig: Dank Ziehvater Noble Knight (edler Ritter), wird auch Nena zu einer Ritterin. Echo nennt sie sich als Attentäterin, denn letzten Endes ist diese Persönlichkeit der Nachklang der erlebten Gewalt. Aninyeh ist ihr Geburtsname, den sie nur in den „Davor“ Kapiteln trägt, in denen sie ihre Leidensgeschichte aus Ich-Perspektive erzählt. Die Gegenwart wird in der dritten Person erzählt und soll vielleicht auch die Distanz wiedergeben, welche die Protagonistin zu sich und ihrer Umwelt entwickelt hat.
Aus Nena und Echo setzt sich in „Danach“ eine Superheldin zusammen, die kein Opfer mehr von männlicher Gewalt ist, sondern sich als Täterin zur Wehr setzt und anderen Frauen ritterlich hilft. Damit gibt es in „Echo der Gewalt“ gute und schlechte Gewalt, je nachdem, wer sie ausführt und welchem Zweck sie dient.
Nena sieht sich als Kämpferin für eine gute Sache: für eine Organisation, die sich für Förderung und Entwicklung afrikanischer Länder einsetzt. Im Laufe der Geschichte bekommt die harte Fassade von Nena aber Risse: sie erlebt zum ersten Mal romantische Gefühle und sie beginnt die Ziele des Tribe infrage zu stellen, die sie früher aus Loyalität und Dankbarkeit nie angezweifelt hat.
„Echo der Gewalt“: Comichafte Heldin
Bis auf wenige Ausnahmen kommen Weiße in „Echo der Gewalt“ nicht vor. Dabei bleibt Yasmin Angoe differenziert: nicht alle Schwarzen sind gut und Opfer. Die Gräueltaten in Nenas Heimat werden von den eigenen Landsleuten begangen. Die „Davor“ Kapitel beschreiben die Gewalttaten, die Aninyeh angetan werden, ungeschönt und drastisch. Erlebnisse, die exemplarisch für die Gewalterfahrungen (schwarzer) Frauen stehen.
Die wie Phönix aus der Asche auferstandene Nena erscheint dagegen viel klischeehafter. Eine Superwoman, schön, intelligent, reich und wehrhaft. Es gibt viele Passagen, in denen Äußerlichkeiten ausführlich beschrieben werden, sowohl bei der Beschreibung der Heldin als auch in den Actionszenen.
Nena drehte sich hin und her und bemerkte zufrieden, wie das weiße Kleid mit den schwarzen Klecksen, die an einen Rohrschachtest erinnerten, sich perfekt um ihre Figur schmiegte und in weichen Falten um ihre Waden schwang. Der tiefe Ausschnitt brachte ihr glattes Dekolleté gut zur Geltung. Dazu trug sie silberne Riemchensandaletten und passende silberne Bänder in den Diadem-Zöpfen um ihre Stirn. Ihr übrigens Haar floss offen über ihre Schultern.
„Echo der Gewalt“: Schwächen bei Plot und Charakteren
Während „Echo der Gewalt“ als Emanzipations- und Selbstermächtigungsroman für schwarze Frauen weitgehend überzeugt, hat es als Thriller deutliche Schwächen. Der Plot ist oft arg konstruiert und wenig überzeugend, die Nebenfiguren erscheinen überwiegend eindimensional und klischeehaft, die Spannung zeigt sich hauptsächlich in Actionszenen, die bei einer Superheldin wenig Zweifel am Ausgang lassen. Die sich anbahnende Liebesgeschichte ist konventionell kitschig geraten.
Fazit
„Echo der Gewalt“ ist der erste in Deutschland veröffentlichte Band einer Trilogie, mit der Yasmin Angoe schwarzen Frauen eine starke Identifikationsfigur geben will. Dafür hat sie eine Superheldin geschaffen, die sich selbst nach schrecklichen Erlebnissen als wehrhafte Amazone wieder neu erfunden hat. In dem Actionthriller hat Angoe auch ein weiteres Anliegen untergebracht: Sie erzählt den Leserinnen und Lesern von ghanaischer Kultur, in der die Familie eine besondere Stellung einnimmt, und von der gewalttätigen Geschichte, die auch ein Erbe der Kolonialzeit ist.
Die Botschaft kommt rüber, die Umsetzung ist Geschmackssache.
Yasmin Angoe, Suhrkamp
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