Liliths Töchter
- Diana
- Erschienen: März 2023
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Tiefe Einblicke in die israelische Gesellschaft
Sarah Blau wurde 1973 in eine ultraorthodoxe jüdische Familie geboren. Anders als von ihr erwartet, studierte sie, wurde Dozentin und Schriftstellerin. Immer wieder befasst sie sich mit dem Feminismus in der jüdischen Gesellschaft und mit der bewussten Entscheidung gegen ein Leben als Hausfrau und Mutter. Auch in ihrem mittlerweile vierten Roman, der gleichzeitig der erste auf Deutsch erschienene ist, nimmt sie sich dieses Themas an und verwebt es zusätzlich mit einer sehr spannenden Mordserie.
Wer bringt die Frauen um?
In Tel Aviv wird die bekannte Religionswissenschaftlerin und Feministin Dr. Dina Kaminer ermordet. Der Frau, die sich bewusst gegen Kinder entschieden hat, wurde eine Babypuppe an die Hand geklebt und Mutter auf die Stirn geschrieben. Sheila Heller, ebenfalls Bibelwissenschaftlerin, rückt in den Mittelpunkt der Ermittlungen, denn sie kennt Dina aus dem Studium und die Freundschaft ist nicht gerade im Guten auseinander gegangen. Doch ist nicht die Täterin. Als eine weitere Freundin aus der Clique „die anderen“ ermordet und ebenfalls mit einer Puppe dekoriert aufgefunden wird, fragt sich Sheila, ob sie die nächste auf der Todesliste ist.
Extrem spannender Roman
Obwohl das Buch kein Krimi im eigentlichen Sinn ist, schafft es Sarah Blau eine extrem spannende Geschichte abzuliefern. Alles wird in der Ich-Perspektive von Sheila erzählt. Wir können dadurch natürlich nur das erfahren, was sie weiß, erhalten dafür aber auch tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Auf ironische-bösartige und auch humorvolle Weise lässt sie uns an ihrem Alltag teilhaben, der so plötzlich auch den Mord an ihrer ehemaligen Freundin beinhaltet. Sheila weiß, sie ist nicht die Täterin, doch gleichzeitig weiß sie auch, dass alles mit der Zeit im Studium zusammenhängt, als sich vier Frauen „die andere“ nannten und gegen die gesellschaftlichen Normen rebellierten. Immer tiefer tauchen wir ein in das Leben einer Frau, die manchmal von sich selbst enttäuscht zu sein scheint und immer noch nach ihrem Platz in der Gesellschaft sucht. Mit jeder Seite wird der Zusammenhang zwischen den Frauen sichtbarer und die Probleme der Beziehungen immer offensichtlicher. Als dann der zweite Mord geschieht, weiß Sheila, dass die Vergangenheit sie alle einholt.
„Tick-tock, tick-tock, auf ein Baby keinen Bock“
Die israelische Gesellschaft ist sehr religiös geprägt. Es gibt die orthodoxen und ultraorthodoxen Juden, die Frauen auf die Funktion von Ehefrau und Mutter reduzieren. Doch selbst der säkulare Teil der Gesellschaft, kann den bewussten Verzicht auf Kinder nicht immer nachvollziehen. Diese allgegenwärtige Forderung trägt das Geschehen im Buch. Immer wieder zeigt die Autorin, dass die Debatte um bewusste Kinderlosigkeit die Gesellschaft enorm beschäftigt. Das könnte der Spannungskiller par excellence für das Buch sein, doch weit gefehlt. Blau lässt dieses Problem nicht die Überhand gewinnen, sondern schafft eine gute Mischung, in der die Morde Sheila immer mehr den Weg zum Täter zeigen. Die Vergangenheit, die dabei eine große Rolle spielt, sorgt, wie auch die Gegenwart, für unvorhergesehene Wendungen, die der Spannung noch einmal gehörigen Schub geben. Die Lösung des Ganzen passt zum Grundthema und ist dennoch für Sheila eine ganz persönliche Sache.
Sheila
Die zentrale Figur im Roman ist Sheila. Die Ich-Erzählerin ist dabei ein Charakter, dem man gerne folgt. Etwas chaotisch, immer noch auf der Suche nach dem perfekten Platz im Leben, ist sie konsequent in ihren Einstellungen. Ihre Gedanken offenbaren aber auch eine sehr sensible Frau, die gegen den Strom zu schwimmen weiß und dennoch manchmal sehr verletzlich ist. Sarah Blau ist hier eine Protagonistin gelungen, die gleichzeitig ein Abbild der unabhängigen Frauen Israels ist, aber auch so viel Individualität besitzt, dass sie nicht zum stereotypen Klischee wird.
Fazit
Gekonnt verbindet Sarah Blau Mordfälle mit Gesellschaftskritik und schafft damit zwar keinen Krimi, aber einen sehr spannenden Roman. Mit ihrem ironisch-boshaften und dennoch humorvollen Stil kann sie bestimmt auch eine eingefleischte Krimi-Leserschaft überzeugen. Sheilas Suche nach dem Mörder ist absolut lesenswert!
Sarah Blau, Diana
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