Wenn Geld zum Problem wird
Die Leichen des wohlhabenden Ehepaares Rytters werden in ihrer Villa gefunden. Für ihren Tod kommen nur drei Menschen in Frage: Bill, Karla und Jennica. Vor Kurzem verstarb Bills Frau an Krebs. Er ist seitdem alleine verantwortlich für die kleine Tochter. Das Geld ist knapp, doch Rechnungen müssen bezahlt werden und der Lebensunterhalt bestritten. Daher vermietet er ein Zimmer an die angehende Jurastudentin Karla. Die putzt beim Ehepaar Rytters um sich über Wasser zu halten. Jennica ist auch Studentin, doch wesentlich weniger motiviert als Karla. Sie beginnt eine Beziehung mit Steven Rytters, der ihr erzählt Witwer zu sein. Unabhängig voneinander bemerken Karla und Jennica, dass im Hause Rytters etwas nicht stimmen kann. Jennica findet heraus, dass Stevens Frau Regina noch lebt und Karla, dass diese scheinbar von ihrem Mann unter Drogen gehalten wird, die ihr eine Krankheit nach einer Virusinfektion vorgaukeln sollen. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, nachdem Bill und Karla etwas ziemlich Dummes getan haben und endet in einem Showdown mit allen Beteiligten im Haus Rytters, den das Ehepaar nicht überlebt.
Der Meister der psychologischen Spannung ist zurück
In seinen bisherigen Büchern hat Mattias Edvardsson gezeigt, dass ihm weniger die Tat interessiert, als viel mehr die Gründe für sie. So ist es auch in „Die Wahrheit“. Das Warum steht im Vordergrund, das Wer folgt erst danach. Und wieder rollt der Autor das Geschehen von hinten auf. Am Anfang steht die Tatsache, dass Steven und Regina Rytters tot in ihrer Villa gefunden werden. Was dann folgt sind Rückblicke aus den Perspektiven der verdächtigen Personen, ergänzt durch einige Polizeiprotokolle und Zeitungsartikel. In kurzen Kapiteln erzählt jeweils eine Person aus der Ich-Perspektive das Geschehen. Das kann gerade im Mittelteil zu teilweise etwas langatmigen Überschneidungen führen, die aber kaum ins Gewicht fallen – dafür sind die Figuren einfach zu spannend dargestellt!
Die Charaktere tragen den Roman
Eigentlich passiert nicht wirklich viel: Karla putzt und paukt für ihre Zulassung zum Studium; Bill versucht sich und seine kleine Tochter über Wasser zu halten und Jennica kämpft mit dem Anspruch ihrer Familie, der sie scheinbar in mehr als einer Hinsicht nicht genügt. Edvardsson steigt ganz trivial in die Leben dieser drei Personen ein, nur um sich dann nach und nach immer tiefer in ihre Charaktere zu graben. Es tun sich Abgründe auf, Geheimnisse werden offenbar und alles wird mit den schwierigen Beziehungen zu den Verwandten gewürzt. Die Entwicklung der Figuren ist tiefgründig und manchmal auch erschreckend. Gleichzeitig prangert Edvardsson damit auch gesellschaftliche Probleme in Schweden an, wo die Kluft zwischen Arm und Reich scheinbar immer tiefer wird und der Rückhalt des Staates bei Ausnahmesituation nicht unbedingt gegeben zu sein scheint. Erst ganz zum Schluss zeigt das packende Finale, was tatsächlich im Haus Rytters geschah. Und selbst hier packt Edvardsson noch so einiges aus, was die Beteiligten in einem ganz anderen Licht zeigt.
Das nenne ich Spannung!
Mattias Edvardsson schafft es wieder einmal die Leserschaft von Anfang bis Ende zu fesseln. Die Schilderung der Figuren, die wie in einem psychologischen Tanz umeinanderkreisen und deren Fassade immer mehr zu bröckeln beginnt, lässt den Ausgangspunkt fast vergessen. Anders als in anderen Krimis ist die Frage, wer denn nun der Täter oder die Täterin ist nicht mehr so wichtig. Viel mehr fragt man sich, was wer noch zu verbergen hat. Zum Schluss packt der Autor sogar ein richtig dickes Paket aus und stellt indirekt die Frage nach der Rechtfertigung für einen Mord, wobei er aber auch deutlich macht, dass eine solche Tat immer lebenslange Spuren bei allen Beteiligten hinterlässt.
Fazit
Für Liebhaber hintergründiger Spannung sind die Bücher Edvardssons immer ein Genuss. Die Entwicklung der Figuren verbunden mit subtiler Gesellschaftskritik macht auch „Die Wahrheit“ zu einem Psycho-Thriller, der ohne Brutalität und sehr ruhig erzählt dennoch enorm fesselnd ist.
Mattias Edvardsson, Limes
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