røben - Strafe muss sein
- Heyne
- Erschienen: Juli 2023
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Mäßig spannender Auftakt der dänischen Krimireihe
Die 71-jährige ehemalige Therapeutin Anne Holst macht sich gerade für ihre Nordic-Walking-Gruppe fertig, als plötzlich ein vollkommen unerwarteter Gast an der Haustür klingelt. Die ganze Situation wirkt absolut surreal, da Anne niemals mit diesem Besuch gerechnet hätte. Die irritierte Rentnerin lässt den Gast dennoch nach kurzem Zögern herein. Auch wenn sie diesen sehr gut kennt, macht sich Angst in ihr breit - und dies nicht ohne Grund. Kurze Zeit später liegt sie erstochen im Wohnzimmer. Doch Kriminalinspektor Jakob Nordsted bekommt es in der dänischen Hafenstadt Holbæk noch mit einem weiteren Mordfall zu tun.
Ein bekannter Arzt verbrennt qualvoll in seiner Garage. Der Täter hat ihn zuvor im Wagen gefesselt und dann angezündet. Nordsted spürt, dass die beiden Fälle zusammenhängen. Ihm zur Seite gestellt wird die junge Kommissaranwärterin Tanya Nielsen. Der erfahrene Ermittler Nordsted, um den sich einige Gerüchte ranken, ist zunächst gar nicht begeistert von der unerfahrenen Kollegin. Doch Tanya ist hart im Nehmen und lässt sich vom raubeinigen Nordsted nicht unterkriegen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem Täter - und kommen dabei einander näher.
Chirurg und Autor
Steffen Jacobsen arbeitet seit vielen Jahren als Arzt in der orthopädischen Chirurgie. Erst mit 52 Jahren kam er zum Schreiben. Er debütierte 2008 mit seinem Thriller „Der Passagier“, der in Deutschland lediglich als eBook erschien. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Reihe um Kommissarin Lene Jensen und Ermittler Michael Sander, bei der 2018 mit „Sühne“ der fünfte Band erschien. „røben - Strafe muss sein“ bildet nun den Auftakt einer neuen Serie. Der zweite Band „De stumme piger“ erschien in Dänemark wie der erste Teil bereits 2019.
Leider ist der aktuelle Band alles andere als eine „Offenbarung“, wie es der Titel „røben“ verspricht. Auch wenn Jacobsen mit Jakob Nordsted und Tanya Nielsen ein durchaus unterhaltsames Duo ins Rennen schickt und mit seiner medizinischen Expertise punktet, enttäuscht der Thriller leider in vielerlei Hinsicht.
Selbstbewusste Kommissaranwärterin
Natürlich ist jeder Autor bemüht, ein einzigartiges, unverwechselbares Ermittlerteam zu erschaffen. Das gelingt Steffen Jacobsen auch, wenn gleich er es mit den Besonderheiten etwas übertreibt. Die junge Polizistin Tanya unterrichtet nicht nur in Tel Aviv immer wieder Meisterklassen im Krav Maga, der modernen, eklektischen israelischen Selbstverteidigungsform, sondern beherrscht auch das brasilianische Jiu-Jitsu, eine Weiterentwicklung der japanischen Kampfkunst. Darüber hinaus leidet sie unter Hyperosmie, das heißt, sie besitzt eine Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen jeder Art. So schnüffelt sich Tanya durch die gesamte Handlung, was doch eher nervend als gewinnbringend ist. Positiv ist aber die direkte, selbstsichere Art der Kommissaranwärterin, die bereits zwei Jahre beim Nachrichtendienst gearbeitet hat.
Erfahrener Ermittler mit dunkler Vergangenheit
Kriminalkommissar Jakob Nordsted hingegen verfügt über ein nahezu enzyklopädisches Wissen und ist im Polizeidienst eine lebende Legende. Nordsted liebt den Luxus und das Exquisite. Um den Liebhaber edler Karossen und stolzen Besitzer eines fabrikneuen Jaguars XE Portfolio ranken sich aber zahlreiche Gerüchte. Unter anderem soll er von Visionen heimgesucht werden, die ihm bei der Aufklärungsarbeit helfen. Zudem hat der Ermittler ein bewegtes Leben hinter sich: Hauptmann der königlichen Leibgarde, Einsatz in zahlreichen Krisengebieten, mit militärischen Orden ausgezeichnet. Doch unvermittelt findet seine steile Karriere aus unbekannten Gründen ein jähes Ende. Anschließend machte er ebenso rasant Karriere im Staatsdienst bei einem Sondereinsatzkommando. Aber auch dieses verließ er unerwartet, ließ sich von seiner Frau scheiden und versackte in Vietnam. Nach einem Entzug ermittelt er wieder im Polizeidienst. Herablassend, schroff, unfreundlich - So würden ihn die meisten beschreiben. Die jüngeren Polizisten halten ihn für ein ausgebranntes Arschloch, das eigentlich wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Frührente gehen sollte.
Schwacher Erzählstil
Leider ist der Plot des Thrillers derart durchschaubar konstruiert, dass es zunehmend an Spannung fehlt. Das Problem: Der Autor bietet dem Leser von Beginn an einen klaren Verdächtigen und schließt eine weitere Person konsequent aus. Gäbe es am Ende dann eine Überraschung, wäre das auch stimmig. Leider weiß der Leser auch ständig mehr als die Ermittler und erkennt früh nicht nur den Täter, sondern auch den Hintergrund der Tat. Hinzu kommt ein mäßiger Erzählstil. So wirkt es immer wieder, als fehle bei Dialogen ein Teil, weil die Gesprächspartner überhaupt nicht aufeinander eingehen. Als Nordsted Tanya nach ihrer Einschätzung fragt, sagt sie: „Nur eine Idee. Viel zu viel. Von wirklich weit hergeholt bis noch abwegiger.“ Worauf der Kommissar einfach fortfährt: „Was ist eigentlich mit dem alten Herrn passiert, dem Apotheker?“ Insgesamt wirkt die Sprache und Wortwahl oftmals wie beim Google-Translator, was sicherlich nicht an der Übersetzung liegt, sondern an der doch recht holprigen Ausdrucksweise des Autors.
Fazit:
Die neue Reihe von Steffen Jacobsen hat noch deutlich Luft nach oben. Spannung kommt aufgrund der vorhersehbaren Story kaum auf, die Dialoge wirken hölzern und die Ermittlungsarbeit äußerst oberflächlich. Lediglich das Ermittlerteam weiß trotz aller Übertreibungen doch zu unterhalten. Das ist für eine guten Thriller aber insgesamt zu wenig.
Steffen Jacobsen, Heyne
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