Und noch eine schwedische Krimi-Serie.
Sozialarbeiterin Annie Ljung fährt nur ungern von Stockholm zurück in ihr Heimatdorf Lockne, doch ihre demente Mutter braucht sie. Was als kurze Visite geplant war, wird zu einem ausgedehnten Albtraum, als die 17-jährige Tochter ihres Cousins verschwindet. Annie wird immer mehr an ihre eigene tragische Vergangenheit in diesem Ort erinnert. Sie verstrickt sich immer tiefer in die Geschichte als klar wird, dass die Polizei nicht weiter kommt und sie auf eigene Faust ermittelt.
Eine Sozialpädagogin erschafft eine Sozialarbeiterin
Ulrika Rolfsdotter sagt von sich selbst: „Schriftstellerin zu werden war mein Kindheitstraum“. Diesen hat sie sich nun erfüllt, jedoch erst nachdem sie als Sozialpädagogin und kognitive Verhaltenstherapeutin arbeitete. Die Erfahrungen, die sie mit misshandelten Frauen und Suchtkranken gemacht hat, fließen im übergroßen Umfang in ihr Krimi-Debüt ein. Ihre Protagonistin Annie ist nicht nur Sozialarbeiterin, sie hat auch eigene dramatische Erfahrungen mit sexueller Gewalt machen müssen. Diese werden zwar anfangs nur recht kryptisch angedeutet, doch schnell ist in groben Zügen klar, was zu Annies Weggang aus Lockne führte. Was eine Protagonistin mit Tiefgang hätte werden können, ist aber leider nur eine Frau mit vielen Problemen geworden, die sich leicht beeinflussen lässt und manchmal regelrecht naiv erscheint. Sie kann so die an sich schon schwache Geschichte nicht tragen.
Die Atmosphäre kann den Krimi auch nicht mehr retten
Sehr lange passiert nicht wirklich viel im Krimi, auch wenn die 17-jährige Saga spurlos verschwunden ist. Rolfsdotter lässt die Suche nach ihr zu einer langweiligen Angelegenheit verkommen, in der jede Menge Nebenschauplätze aufgemacht werden, die es allerdings einfach nicht gebraucht hätte. Es dauert lange, bis sich die Geschichte soweit entwickelt hat, dass sich ein wenig Spannung breit macht, die sich allerdings weiterhin nicht in ungeahnte Höhen schwingt. Der Schluss ist allzu offensichtlich und reißt keinen mehr vom Hocker. Lediglich die triste Atmosphäre des kleinen Ortes in Schwedens Einsamkeit ist der Autorin wirklich gut gelungen. Sie beschreibt die Folgen der Landflucht, die für Jugendliche oft Drogenkonsum und zunehmende Kriminalisierung bedeuten und für die Älteren Einsamkeit und nicht selten den finanziellen Ruin. Doch die geglückte Atmosphäre kann den Krimi nicht mehr retten, der sich in zu viel Nebensächlichkeiten und langatmigen Beschreibungen verstrickt.
Fazit
Ein Krimi, der nur aufgrund der düsteren Atmosphäre ein Nordic Noir ist. Die Handlung ist dafür zu wenig packend und zu voraussehbar. Es bleibt zu hoffen, dass der zweite Teil der Serie spannender wird und vor allem schnell auf den Markt kommt, denn „Beuteherz“ hat leider nicht die Substanz, lange im Gedächtnis zu bleiben.
Ulrika Rolfsdotter, Heyne
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