Plagiat

  • Benevento
  • Erschienen: April 2023
  • 1
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Thomas Gisbertz
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2023

Ein temporeicher, hochaktueller Thriller, dem es etwas an Tiefe fehlt

Kalifornien, USA: Carla ist gerade auf einer Solo-Klettertour im Yosemite National Park, als sie über ihren Messenger-Dienst eine seltsame Nachricht von ihrem Bruder Darian erhält. Der Genealoge und Historiker scheint in ernsten Schwierigkeiten zu stecken. Carla macht sich direkt auf den Weg nach München. Doch als sie wieder in ihrer Heimat ankommt, erhält sie die traurige Nachricht, dass Darian in der Nähe von Warschau Selbstmord begangen haben soll. Doch Carla ist fest davon überzeugt, dass ihr Bruder dies niemals gemacht hätte. Gemeinsam mit der polnischen Ermittlerin Magdalena Herezo will sie den wahren Grund für Darians Tod herausfinden. Carla fängt an, unbequeme Fragen zu stellen und stößt damit in ein Wespennest. Die junge Frau gerät ins Visier einer Verschwörung und bringt damit nicht nur sich selber in tödliche Gefahr.

Gleichzeitig in Deutschland: Die junge Abgeordnete Wiebke Janssen von der „Fortschritts Partei Deutschlands“ wird seit einiger Zeit vom ominösen „Internationalen Komitee für Wirtschaft, Technologie und Fortschritt“ protegiert und zur Spitzenpolitikerin aufgebaut. Als Kanzlerkandidatin steht sie vor eine großartigen Zukunft, der Wahlsieg ist greifbar. Doch dann tauchen Ungereimtheiten in ihrer vor einiger Zeit verfassten Dissertation auf. Es droht ein Skandal, der nicht nur für sie selbst, sondern auch das Komitee verheerende Folgen hätte. Zeitgleich sterben mehrere Menschen unter mysteriösen Umständen. Alles nur Zufall oder Teil eines Plans, um das Netz aus Betrug und Lügen zu schützen? Und was hat der Tod Darians damit zu tun?

Roman eines Insiders

Autor Jochen Frech, geboren 1967, war fünf Jahre lang Angehöriger eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei und stand mit internationalen Anti-Terror-Spezialisten, Soldaten des britischen Special Air Service und Angehörigen des israelischen Geheimdienstes Mossad in Kontakt. Nach einem anschließenden Studium an der Polizeihochschule war er als Fachlehrer und Leiter der Sportbildungsstätte der Polizei des Landes Baden-Württemberg tätig. Heute arbeitet er als Beauftragter für das Betriebliche Gesundheitsmanagement beim Polizeipräsidium Einsatz.

„Plagiat“ ist der mittlerweile sechste Roman des studierten Diplom-Verwaltungswirts. Zuletzt veröffentlichte Frech 2022 mit „Hunt - Kein Weg zurück“ einen temporeichen, spannungsgeladenen Thriller mit einer wilden Verfolgungsjagd quer über die Kontinente - ein Plot, den er auch in seinem aktuellen Roman aufgreift.

Fachliche Expertise

Eins wird bei der Lektüre des Romans deutlich: Jochen Ferch weiß, worüber er schreibt. Seine langjährige Erfahrung im Polizeidienst und seine Kenntnisse über diverse Spezialeinheiten und Geheimdiensten bilden den Hintergrund für einen spannenden Thriller, der den Leser auf eine packende Reise quer durch Europa bis in den Fernen Osten mitnimmt. Immer wieder scheint dabei Frechs Expertenwissen durch, wodurch der Leser ssviele interessante Details erfährt und Frech Einblick gewährt in Handlungsstrukturen etwa des israelischen Geheimdienstes. Besonders hieraus zieht der Roman seine Stärke und macht ihn zu einem besonderen Thriller. Die kurzen Kapitel und der häufige Wechsel der Handlungsorte sorgt für eine große Dynamik.

Schwächen in der Darstellung

Während die Handlungsstruktur des Romans insgesamt gelungen ist, wirken der Aufbau, die Figurengestaltung und die Erzählweise mitunter etwas unrund. Im Mittelpunkt der Handlung steht dabei Clara, die Schwester des ermordeten Darian. Die junge selbständige IT-Managerin lebt nach dem Tod der Eltern eher zurückgezogen, das Zusammensein mit Menschen fällt ihr schwer. Dennoch nimmt sie es mutig mit einer Verbrecherorganisation auf, während so manch anderer auf der Strecke bleibt. Dies ist möglich, weil der Chef des Komitees sie nicht richtig ernst nimmt, aber vor allem, weil man in einem Thriller wie diesen nicht alles zu ernst nehmen darf. Dies gilt auch für die Kanzlerkandidatin Wiebke Janssen, die äußerst naiv auftritt, auch wenn Frech ihr das Image einer taffen Politikerin verleiht. So wirken doch die meisten Figuren eher unglaubwürdig, zum Teil recht klischeehaft, was vor allem für die Komiteemitglieder und Maxim, dem engsten Mitarbeiter in „Sicherheitsfragen“ und Kerl fürs Grobe, gilt. Sämtliche Figuren lassen sich dabei in Gut und Böse unterteilen. Das darf in einem spannenden Thriller auch so sein. Dennoch überspannt Frech mit seiner Darstellung an einigen Stellen etwas den Bogen, etwa wenn Carla nach tagelanger Entführung auf der Flucht durch Griechenland joggt, um anschießend von dort die knapp 2000 Kilometer nach Deutschland mit dem Rad zurücklegt. Dass die Dialoge zum Teil etwas hölzern und wenig authentisch wirken, mag in einem spannenden, actionreichen Thriller noch zu verschmerzen zu sein.

Elitärer Kreis als Bedrohung

Der Roman ist als Politthriller angelegt. Eine globale Elite beeinflusst das politische Weltgeschehen und in bedeutsamen Ländern wie den USA, China, Indien oder Israel bedienen strategisch positionierte Politiker, Wirtschaftsexperten und Journalisten die Interessen des Komitees. Diesem geht es um Macht und Geld, um eine digitale Diktatur und Kontrolle im Wirtschafts- und Wissenschaftssektor. Leider bleibt Frech, was diese ebenso reale wie beängstigende Bedrohung betrifft, insgesamt zu oberflächlich und vage. Hier fehlt es dem Roman an Tiefe und Schärfe. Nur ansatzweise findet eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Thema statt.

Fazit

Jochen Frechs Roman „Plagiat“ ist ein kurzweiliger, temporeicher Thriller, der den Leser mitnimmt auf eine spannende Jagd quer über den Globus. Allerdings ist die Figurendarstellung mitunter zu stereotyp, was sich auch vereinzelt auf die Dialoge überträgt. Spannend wird es aber, wenn Frech sein Wissen in die Handlung einfließen lässt. Für einen Politthriller ist dies aber zu wenig.

Plagiat

Jochen Frech, Benevento

Plagiat

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