Der Unschuldigen Blut
- Goldmann
- Erschienen: August 2023
- 2
Zwischenmenschliches
1993 schrieb Deborah Crombie ihren ersten Krimi mit Duncan Kincaid und Gemma Jones, damals noch rein beruflich verbandelt. Als „Das Hotel im Moor“ kam das Buch 1996 in deutscher Übersetzung auf den Markt. Jetzt, 27 Jahre später, folgt mit „Der Unschuldigen Blut“ der bereits 19. Band. Duncan und Gemma haben aber nicht nur Fälle gelöst, sie haben auch geheiratet, einiges durchgemacht und leben mit ihrer Patchwork-Familie immer noch in London.
Eine Tote, die nicht ins Opferprofil passt
Während Kincaid und sein Kollege Doug Kullen sich die Novemberkälte im Pub aus den Knochen vertreiben, wird im Garten des nahegelegenen Russell Square eine junge Frau erstochen. Doch Sasha Johnson passt nicht in das übliche Opferprofil. Sie war Ärztin, entstammte einer bildungsnahen Familie der Mittelschicht und hatte scheinbar keine Feinde. Doch bald stellt sich heraus, dass sie sehr wohl Geheimnisse hatte. Die Spur führt Duncan und sein Team auch zu Wesley und Betty Howard, den Freunden seiner Familie. Gemma hat mittlerweile einen reinen Schreibtischjob, denn die Familie mit drei Kindern fordert Zeit. Doch sie langweilt sich beruflich und so unterstützt sie Duncan inoffiziell. Als ein zweiter Messermord geschieht wird die Sache brenzlig.
Es menschelt etwas zu sehr
Obwohl Crombie gleich zu Beginn relativ hoch auf der Spannungsskala einsteigt, erweist sich der Krimi insgesamt als nur durchschnittlich packend. Schnell verliert sich der ohnehin sehr konstruiert wirkende Fall im Familienchaos von Duncan und Gemma und den persönlichen Problemen ihrer Mitarbeiter Doug und Melody. Natürlich gehört es zu dieser Serie, dass man immer wieder dieselben Figuren trifft und an ihrem Leben und den dazugehörigen Fortschritten und Problemen Teil hat. Doch dieses Mal nimmt das Zwischenmenschliche und Persönliche einfach zu viel Raum ein, selbst im Fall werden noch die besten Freunde involviert. Und die unzähligen Tassen Tee (das britische Allheilmittel) unterstreichen noch zusätzlich die Tendenz hin zum Cozy Krimi. Deborah Crombie verlässt sich allzu sehr auf das publikumswirksame persönliche Umfeld der Figuren und legt zu wenig Wert auf einen durchgehend spannenden und vor allem realistischen Fall. Dass ein wenig die Luft raus ist, lassen auch die kleinen Recherche-Fehler vermuten, die mir hier, im immerhin 19. Band, zum ersten Mal auffallen. So soll es z.B. im Britischen Museum Tickets geben, der Besuch dort ist aber kostenfrei. Oder die Museums Street soll mit Pollern gesichert sein - die sind mir allerdings dort noch nie aufgefallen. Könnte es sein, dass die US-Amerikanerin Crombie noch nie diesen Teil Londons besucht hat?
London als Protagonist
Crombie legt immer sehr viel Wert auf die Beschreibung der Lokalitäten. Dieses Mal entführt sie uns hauptsächlich nach Bloomsbury und in die Umgebung des Britischen Museums. Auch Nottinghill kommt natürlich nicht zu kurz, haben doch Duncan und Gemma dort ihr Zuhause. Wer London kennt, wird automatisch das Kopfkino in Gang setzen und sich gedanklich nach dort begeben. Wem die britische Hauptstadt aber fremd ist, bekommt, wie immer in den Krimis, eine wunderschön gestaltete Karte zur Hand, die die wichtigsten Orte lokalisiert und außerdem kleine Illustrationen zeigt. Damit kurbelt die Autorin, zumindest bei mir, den schon vertrauten Nebeneffekt an, London unbedingt bald wieder besuchen zu wollen, um dann vielleicht einmal den Pub „The Perseverance“ aufzusuchen oder dem Pavillon am Soho Square einen Besuch abzustatten.
Fazit
Für die Stammleserschaft dieser Serie natürlich ein Muss. Jedoch enttäuscht der konstruiert wirkende, wenig spannende Fall und die übermäßige Verlagerung ins Private von Gemma, Duncan und Co. Vielleicht kriegt Crombie noch einmal die Kurve und präsentiert uns im 20. Fall wieder eine ausgewogenere Mischung, obwohl der bis jetzt noch nicht angekündigt ist.
Deborah Crombie, Goldmann
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