Das Dunkle in dir

Ein Baby wird aus einem Kinderwagen gerissen und in die Themse geworfen. Flusspolizistin Lacey Flint kann es in einer halsbrecherischen Aktion in letzter Sekunde retten. Das ist der Auftakt zu einer Reihe von Terroranschlägen gegen Frauen. Auch Lacey Flint gerät in den Fokus des Drahtziehers, nicht nur in ihrer Rolle als Polizistin und als Frau, sondern auch aus einem sehr persönlichen Motiv.

„Das Dunkle in Dir“: Das verquere Weltbild der Incels  

„Das Dunkle in Dir“ beginnt mit einem spannenden Prolog voll schwarzem Humor: Eine Frau sitzt mit einer Toten im Auto und will sich von der „Selbstmörderklippe“ stürzen. Dabei kommt ihr ein minderjähriger Selbstmörder in die Quere - eine schicksalshafte Begegnung.

Was dann folgt, ist weniger lustig, denn dazu ist das Thema zu ernst: Es geht um Incels – Männer, die bei Frauen keinen Erfolg haben und unfreiwillig zölibatär leben. Ihren Hass auf Frauen leben sie (nicht nur) in den sozialen Medien aus, mit menschenverachtender Sprache und Gewaltfantasien. In „Das Dunkle in Dir“ setzt Sharon Bolton die Fantasien dieser radikalen Minderheit in die Realität um und erschafft ein erschreckend realistisches Szenario: In kürzester Zeit verändern Terroranschläge und Einschüchterungsaktionen gegen Frauen das gesellschaftliche Klima, Sexismus wird wieder hoffähig.

Morgen früh würde sich etwas für alle Zeit verändert haben: den Männern Großbritanniens, möglicherweise auch anderswo, würde ihre Macht wieder bewusst geworden sein. Eine essenzielle Wahrheit wäre in ihrer aller Denken bekräftigt worden: die Frauen haben Angst vor uns. Wir haben die Macht.

„Das Dunkle in Dir“: Lacey Flint in der moralischen Zwickmühle

„Das Dunkle in Dir“ ist der fünfte Band der DC Lacey Flint Reihe. Er lässt sich aber auch ohne Kenntnis der vorigen Bände gut verständlich lesen. Die toughe Heldin hütet ein Geheimnis, von dem die Leser und Leserinnen in diesem Band wieder ein Stück mehr erfahren.  Auch Lacey Flints Widersacher in „Das Dunkle in Dir“ kennt ihr Geheimnis, und er hat eine persönliche Rechnung mit ihr offen.

Die Heldin hat also gleich zwei starke Motive, ihren Feind zur Strecke zu bringen: einmal ein gutes als Vertreterin des Gesetzes, einmal ein „schlechtes“ persönliches, um ihre wahre Identität zu verschleiern. Der Bösewicht ohne Moral und Skrupel trifft in Lacey Flint auf eine knallharte Gegnerin, die sich in einer moralischen Zwickmühle befindet: Bleibt sie eine treue Gesetzeshüterin, eine von den Guten, oder weckt sie das Dunkle in sich?

Sie war seine Nemesis und würde ihm auf Schritt und Tritt folgen wie ein tollwütiger Hund. Die Schlacht zwischen ihnen beiden, denn als solche betrachtete er es jetzt, würde nicht enden, bevor einer den anderen zermalmt hatte.

Fazit

 „Das Dunkle in Dir“ ist ein hochspannender und temporeicher Krimi mit einem Thema, das bisher selten behandelt wurde, aber immer mehr an Aktualität gewinnt. Sharon Boltons gut recherchierter Thriller macht auf eine radikale Minderheit aufmerksam, deren rückständiges Frauenbild wieder mehr Zuspruch in der Gesellschaft findet und sich in der steigenden Gewalt gegen Frauen im realen Leben spiegelt sowie in den sozialen Medien mit verbalen Attacken gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen.

Die Handlung in „Das Dunkle in Dir“ beeindruckt mit ausgefallenen Verbrechen an ungewöhnlichen Schauplätzen. Wer bisher noch keine Krimis der DC Lacey Flint Reihe gelesen hat, bekommt spätestens mit „Das Dunkle in Dir“ Lust, das nachzuholen.