Der Tote in der Dorfkirche
- Goldmann
- Erschienen: Mai 2023
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Wann wird es endlich spannend?
Pfarrer Daniel Clement wohnt mit seiner temperamentvollen Mutter Audrey und den beiden Dackeln Hilda und Cosmo im schönen Champton. Eigentlich hat die ländliche Gemeinde des Pfarrers nur ein Thema: Soll in die Kirche eine Toilette eingebaut werden oder nicht? Doch dann wird in dem Gotteshaus eine Leiche gefunden und ganz andere Probleme tauchen auf. Pfarrer Clement versucht wieder Ruhe in die Herde seiner Schäfchen zu bringen, wird aber bald mit Geheimnissen der Vergangenheit konfrontiert, die noch einen Toten fordern. Erst langsam dämmert es Clement, dass der Täter aus der Gemeinde kommen muss.
Ein ungewöhnlicher Pfarrer
Richard Coles war selbst lange Gemeindepfarrer, doch seine Laufbahn war alles andere als gewöhnlich. Prominent wurde Coles als Mitglied des Duos „The Communards“, das drei UK Top 10 Hits hatte und sogar einen Nr.1-Hit aufweisen kann. 1991 begann Coles ein Studium der Theologie und wurde, mit einigen Zwischenstationen, Pfarrer in Finedon, Northhamptonshire, bevor er 2022 in Rente ging. Doch Coles war kein biederer Landpfarrer. Er machte nie ein Geheimnis aus seiner Homosexualität und ging mit seinem Partner, der auch anglikanischer Geistlicher war, eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Er trat in einer Tanz- und einer Kochshow auf; arbeitet in verschiedenen TV- und Radioproduktionen mit; tat auch sonst einiges Ungewöhnliche, was nicht immer Freude in der Anglikanischen Kirche hervorrief und schrieb einige Sachbücher. Sein eher unkonventionelles Leben war Vorbild für den Pfarrer einer Fernsehsitcom und Gegenstand einer Dokumentation. Heute lebt Coles in East-Sussex und hat nun mit „Der Tote in der Dorfkirche“ auch noch einen Nr-1-Bestseller in Großbritannien geschrieben.
Er weiß wovon er spricht – zumindest teilweise
Dass die Arbeit eines Landpfarrers vielseitig ist und eigentlich aus mehr als einem Beruf besteht, weiß Richard Coles aus eigener Erfahrung. Wahrscheinlich sehr realistisch zeigt er der Leserschaft das Zusammenspiel von Pfarrer und Gemeinde, die diplomatischen Bemühungen um Lösungen für manchmal nichtige Probleme, und überhaupt das Leben eines Landpfarrers zwischen Freud und Leid, psychologischer Umsicht und privaten Belangen.
Auch wenn „Der Tote in der Dorfkirche“ ein Cozy-Krimi ist, nimmt sich Coles zu viel Zeit für Pfarrer Clements Arbeit, bevor der Tote aufgefunden wird. Und selbst dann wartet man vergeblich auf Spannung, denn die Handlung wird nur wenig vorangetrieben und die Suche nach dem Mörder findet unaufgeregt und gemächlich fast ausschließlich im Hintergrund der Gemeindearbeit statt. Die Lösung kommt Pfarrer Clement dann auch eher zufällig in den Sinn, ist auch eher konstruiert als realistisch und dürfte niemanden vom Hocker hauen.
Die Zutaten eines guten Cozy-Krimis fehlen
Selten steht die Tat im Mittelpunkt eines Cozy-Krimi. Viel wichtiger sind das Ambiente und schrullige Individualisten. Ein pittoreskes Dörfchen, der unvermeidliche Tearoom und natürlich die kauzigen Einwohner, von der alten Oma bis zum verarmten Adligen, tragen meist die Handlung. Einiges davon hat auch Coles Debüt zu bieten, doch gleich zu Beginn wird klar, dass aus Namen nur selten individuelle Charaktere werden, die zudem nur wenig an die Geschichte fesseln.
Zu detailverliebt geht der Autor auf die Arbeit des Pfarrers ein und vergisst dabei, dass nicht alle Ausführungen zu Kirchenliedern und Bibelpassagen wirklich spannend finden. Selbst der Tee tröpfelt eher, als das er fließt und die angestrebte Atmosphäre eines vom adligen Anwesen beherrschten Dorfes ist auch nur zu erahnen. Allerdings schafft Coles es, uns in das Jahr 1988 zu entführen, in dem Mobiltelefone noch ein technisches Highlight waren und Céline Dion für die Schweiz den ESC gewann. Auch weiß er die Vergangenheit des 2. Weltkrieges in die Geschichte zu integrieren, was eine zusätzliche Dimension in der ansonsten sehr linearen Geschichte mit zu wenig vorangetriebener Handlung ist.
Fazit
Ein Cozy-Krimi mit Pfarrer, totem Archivar und zwei vorwitzigen Dackeln. Wenig spannend, ist er zwar kein völliger Reinfall, doch es gibt bessere Cozy-Krimis mit schrulligeren Figuren, kuscheligerer Atmosphäre und viel mehr Tee.
Richard Coles, Goldmann
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