Der Totengräber und der Mord in der Krypta

  • Ullstein
  • Erschienen: August 2023
  • 16
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Thomas Gisbertz
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2023

Wer historische Kriminalromane liebt, muss von Pötzsch begeistert sein!

Wien, 1895: Als der Mesner Josef Waldleitner eine Besuchergruppe an einem heißen Augustabend durch die Gruft unter dem Stephansdom führt, machen sie eine grausame Entdeckung: Dr. Theodor Lichtenstein, ein angesehener Arzt und Psychologe auf dem Gebiet der Verbrechenskunde, liegt tot zwischen den zahlreichen Knochen und Schädeln. Das Gesicht vor Entsetzen verzerrt, scheint er aber auf den ersten Blick unversehrt. Es wirkt fast so, als sei der Mann vor Schrecken gestorben?

Doch was hat ihn dermaßen in Panik versetzt? Und was hatte er in der Gruft zu suchen? Oberpolizeirat Josef Stukart bittet den jungen Inspektor Leopold von Herzfeldt und dessen Freundin, die Polizeifotografin Julia Wolf, im Fall zu ermitteln, denn Lichtenstein war nicht nur ein enger Freund von ihm, sondern entlarvte die gerade in der Donaumetropole in Mode kommenden Séancen als Scharlatanerie und deckte dadurch zahlreiche Schwindler auf. Hat er sich dabei vielleicht Feinde gemacht? Während Leo und Julia nach der Untersuchung des Toten im gerichtsmedizinischen Institut einer ersten Spur folgen, wird der Totengräber Augustin Rothmayer durch seine Adoptivtochter Anna auf etwas anderes aufmerksam gemacht: Im Waisenhaus der Stadt verschwinden immer wieder Kinder. Vergreift sich jemand an den Schutzlosen oder geht wirklich ein Geist um in der Donaumetropole?

Fortsetzung der Totengräber-Serie

Mit „Das Buch des Totengräbers“ erschien 2021 Pötzschs erste Kriminalerzählung. Bis dahin hatte sich der gebürtige Münchener bereits weit über die Grenzen Deutschlands hinaus mit seinen historischen Romanen einen Namen gemacht. Seine „Henkerstochter“-Serie wurde zu einem internationalen Bestseller. Nun erscheint beim Ullstein der dritte Band seiner Reihe um den jungen Inspektor Leopold von Herzfeldt, die Polizeifotografin Julia Wolf und den eigentümlichen Totengräber Augustin Rothmayer, der sich auch bestens mit Forensik und Pathologie auskennt. Während es im ersten Band um Vampire und Untote, im zweiten um Mumien und Flüche ging, stehen im aktuellen Band Gespenster und spiritistische Sitzungen im Mittelpunkt der Handlung.

Auch diesmal überzeugt Oliver Pötzsch mit einem gut recherchierten, der Zeit entsprechendem Thema, einem wunderbar leichten, humorigen Erzählstil und einer erneut spannenden Geschichte.

Humor, Spannung und das gewisse Extra

Die Totengräber-Reihe hebt sich wohltuend vom Einerlei zahlreicher historischer Kriminalromane ab. Autor Oliver Pötzsch ist einfach ein fantastischer Geschichtenerzähler. Er versteht es, mit wenigen Worten eine ganze Welt vor den Augen der Leser entstehen zu lassen. Von der ersten Seite an fesselt der Autor seine Leserschaft und nimmt sie erneut mit auf eine Reise durchs Wien der Jahrhundertwende voller interessanter Randnotizen, so mancher skurrilen Figur und einer spannenden, wendungsreichen Geschichte.

Der Hintergrund der Bücher ist hervorragend recherchiert und sorgt dafür, dass das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts wiederaufersteht und Pötzsch statt Typen wundervolle Charaktere zu bieten hat. Gönnen Sie sich das Vergnügen, Informationen über die einzelnen Figuren des Romans zu suchen und Sie werden überrascht sein, wie viel historisch Belegbares der Autor in die Handlung und die Protagonisten einfließen lässt. Allein diese Detailverliebtheit Pötzschs macht die Romane so lesenswert. Wenn man sich Zeit für die Bände nimmt, wird man sich ihrer Faszination nicht entziehen können. Auf jeder Seite spürt man die Liebe des Autors zu seinen Figuren.

Lebendiges Wien

Darüber hinaus lernt man nebenbei viel über die Menschen, die gesellschaftliche Atmosphäre und die dunklen Seiten einer faszinierenden Stadt am Rande zur Modernen kennen. Dies gilt auch für die wissenschaftlichen Strömungen der damaligen Zeit. Ein besonderes Highlight ist diesmal aber sicherlich der Auftritt des Vaters einer der bekanntesten Detektive der Welt: des Arztes und Schriftstellers Sir Arthur Conan Doyle, Verfasser der Sherlock-Holmes-Romane. Dabei ist die Pötzschs Erwähnung kein Zufall, denn der Schotte gastierte tatsächlich in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts öfters während seiner Studien- und Erholungsreisen in Wien - und er war ein glühender Verfechter des Spiritismus'. Auf unnachahmliche Art und Weise bindet Pötzsch die historische Figur in seinen Roman ein und macht Leo sogar zur Inspirationsquelle für den bekannten Kriminalroman „Der Hund der Baskervilles“.

Fazit

Wer die auf den Liebermann-Romanen von Frank Tallis basierende britisch-österreichische Fernsehserie „Vienna Blood“ mag, der wird die Totengräber-Reihe lieben. Zwar sind Pötzschs Romane nicht so düster wie die TV-Fälle, dafür schaffen sie spielend einfach den Spagat zwischen historischer Genauigkeit, lebendigen Figuren und sich allmählich steigernder Spannung. Alles zusammen macht die Geschichten um Leopold von Herzfeldt, Julia Wolf und Augustin Rothmeyer zu einem besonderen Lesevergnügen.

Der Totengräber und der Mord in der Krypta

Oliver Pötzsch, Ullstein

Der Totengräber und der Mord in der Krypta

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